Handball: Schonungslose Aufklärung

Volker Zerbe verlangt Konsequenzen aus der Betrugsaffäre. Und hofft als Manager des TBV Lemgo auf einen Erfolg gegen Kiel.

Halle. In den höchsten Tönen schwärmte man vor dem Aufeinandertreffen von Rekordmeister THW Kiel und dem TBV Lemgo im Gerry-Weber-Stadion am Sonntag von der Saisonleistung der Kieler Mannschaft.

Die Manipulationsaffäre wollten Trainer Markus Baur, Nationalspieler Holger Glandorf und TBV-Geschäftsführer Volker Zerbe am liebsten ausgeklammert wissen. Im Gespräch mit unserer Zeitung bezog Zerbe, Präsidiumsmitglied des Handball-Ligaverbandes HBL, zu den Vorwürfen gegen den THW Stellung.

WZ: Herr Zerbe, morgen empfangen Sie das Team, das in dieser Saison die spektakulärsten Schlagzeilen produziert hat. Leider nicht nur in sportlicher Hinsicht.

Volker Zerbe: Die Mannschaft ist professionell genug, ihr Leistungsvermögen trotzdem abzurufen. Das sind 60 Minuten, in denen sie die ganze Affäre ausblenden können. Denn diese 60Minuten sind es, die einzig für sie zählen. Das ist, glaube ich, ihre Chance, zur Zeit den Handball um den THW Kiel positiv zu gestalten.

WZ: Sie sind nun schon so viele Jahre im Handball tätig. Hätten sie diesen Betrug für möglich gehalten?

Zerbe: Nie. Ich habe diesen Sport als Spieler und als Manager anders kennengelernt. Diese Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen, haben mich und alle anderen beim TBV Lemgo geschockt.

WZ: Berührt es Sie, dass ausgerechnet Uwe Schwenker, der Uli Hoeneß des Handballs, im Zentrum der Betrugsaffäre steht?

Zerbe: Ja. Ich kannte ihn schon als Spieler, und auch als Manager hatte ich regen Kontakt zu ihm. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass er einmal im Mittelpunkt einer solchen Angelegenheit steht. Mittlerweile sind die Indizien schon belastend.

WZ: Schwenker ist beurlaubt. Noch schweigt er zu den Vorwürfen. Was erwarten Sie von ihm?

Zerbe: Ich erwarte von ihm, dass er schnellstmöglich alles zur Aufklärung der Angelegenheit beiträgt.

WZ: Es kommen immer mehr Einzelheiten ans Tageslicht im Zusammenhang mit Schiedsrichtern. Haben Sie nie von "unmoralischen" Angeboten gehört?

Zerbe: In keinster Weise. Deshalb finde ich es auch merkwürdig, dass plötzlich jeder etwas zu berichten hat. Es zeigt aber auch, dass die Verbände nun alles auf den Prüfstein legen müssen. Wir in Lemgo haben keine negativen Erfahrungen mit Schiedsrichtern gemacht. Wir haben uns im Rahmen von Europapokalspielen stets regelkonform um die Delegierten und Schiedsrichter gesorgt.

WZ: Die durch das Wintermärchen gewachsene Popularität des Handballs in Deutschland wird durch die Manipulationsaffäre Schaden nehmen. Das muss Ihnen doch in der Seele weh tun.

Zerbe: Handball hat eine rasante Entwicklung genommen, es tut weh, dass dieser Anstieg nun durch die Vorwürfe belastet wird. Ich bin aber überzeugt, dass der Handball in Zukunft weiter an Popularität gewinnen wird. Dafür müssen die Vorwürfe gegen KIel aber bedingungslos aufgeklärt werden.

WZ: Was muss denn Ihrer Meinung nach verändert werden?

Zerbe: Wir von der HBL haben einen Kontrollausschuss gebildet, der sich dieser Fragen annimmt. Es werden in Kürze Maßnahmen ergriffen, die den Sport in seiner Glaubwürdigkeit stützen sollen. Ich möchte aber den Vorschlägen des Gremiums nicht vorgreifen.

WZ: Der Betrug fand aber nicht auf nationaler, sondern auf internationaler Ebene statt.

Zerbe: Trotzdem müssen wir unsere Hausaufgaben in der Liga machen und dann dazu beitragen, dass auch in den Strukturen des Europa- und Weltverbandes Veränderungen stattfinden. Aber dort ist der Handlungsbedarf ja erkannt worden.

WZ: Glauben Sie tatsächlich, dass eine Änderung der Strukturen mit Hassan Moustafa als Weltpräsident möglich ist? Der Ägypter soll es mit der Legalität nicht immer so genau nehmen.

Zerbe: Bei der Aufarbeitung der Angelegenheit muss man die handelnden Personen mit einbeziehen. Der Handballsport ist auch auf internationaler Ebene rasant gewachsen und die Strukturen in den Verbänden konnten nicht Schritt halten.

WZ: Sind Sie froh, dass die Vorwürfe öffentlich geworden sind?

Zerbe: Froh wäre ich, wenn unser Sport nicht in Zusammenhang mit Spielmanipulation gebracht worden wäre. Da die Vorwürfe aber nun im Raum stehen, müssen sie auch schonungslos aufgeklärt werden. Und zwar zeitnah.

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