Hambüchen glänzt - Nguyen vor EM-Champion Boy

Altendiez (dpa) - Fabian Hambüchen stieß seinen gewohnten Urschrei aus, Philipp Boy haderte mit den Bedingungen, Marcel Nguyen freute sich nicht einmal über seinen Sieg. Die erste WM-Qualifikation der deutschen Turner in Altendiez erwies sich als gute Show, der aber der große Triumphator fehlte.

„Es war nicht anders zu erwarten: Wir haben noch genug Baustellen“, sagte Cheftrainer Andreas Hirsch kritisch. Auch wenn Barren-Europameister Nguyen am Ende die Nase im Sechskampf vorn hatte, war Fabian Hambüchen zumindest der heimliche Gewinner im Kampf um die WM-Tickets für Tokio. Riesen-Beifall erntete er für seine zweite schwierige Reck-Schau innerhalb einer Woche, die diesmal mit 16,25 Punkten bewertet wurde. „Diesmal lief es anfangs nicht ganz so locker. Es war eher ein 'Arbeitssieg'“, schilderte er sein gelungenes Comeback und war vor allem froh, diesmal auch das „Zitterpferd“ halbwegs beherrscht zu haben.

Lob für ihn kam aus berufenem Munde: „Seine Reck-Übung berührte mich von den Fußspitzen bis unter den Haarschopf“, gestand DFB-Chef Theo Zwanziger, der als 2. Vizepräsident des VfL Altendiez erstmals Gast bei den Turnern war. „In der tollen Atmosphäre ist das Adrenalin so richtig hochgekocht“, bedankte sich der einstige Reck-Weltmeister Hambüchen bei den 600 Fans in der ausverkauften Halle.

Im Mehrkampf musste der Hesse, der wegen seiner komplizierten Achillessehnen-Operation von den Ärzten noch kein grünes Licht für Boden und Sprung erhielt, kampflos mitansehen, wie Top-Favorit Boy diesmal nur der zweite Rang (87,00) hinter Nguyen (87,60) blieb. „Die Ringe waren glitschig, da bin ich rausgerutscht. Am Reck flog mir Magnesia in die Augen. Da kriegst Du plötzlich Schiss in der Luft“, schilderte der Allround-Europameister von Berlin die Widrigkeiten seines Wettkampfes. Auch seinen neuen Sprung mit Ausgang 7,0 brachte er nicht in den Stand. „Doch angesichts der langen Wettkampfpause und den schwierigen Bedingungen ging es doch ganz gut“, meinte Boy.

Cheftrainer Hirsch sieht das anders. „Er kann mit dieser Situation nicht zufrieden sein. Lorbeeren von gestern zählen nichts mehr“, meinte der Berliner. Auch Nguyen konnte sich über seinen Sieg gegen den Champion nicht freuen. „Das ist Quatsch. Ich turne doch nicht gegen jemanden, versuche nur meine eigenes Programm durchzubringen. Und da hatte ich heute noch einige Reserven“, sagte der Unterhachinger und war selbst über den Spitzenwert (15,15) an seinem „Schokoladengerät“ Barren nicht glücklich. Erfreut nahm Hirsch aber die Gewissheit mit, dass „alle das Risiko suchten und keiner versucht hat, sich mit Sicherheitsvarianten einen WM-Platz zu erschleichen“.

Wolfgang Hambüchen, der Vater und Trainer von Fabian, spekulierte: „Boy und Nguyen sind für die WM gesetzt, dahinter gibt es viele Fragezeichen. Deshalb rechnen wir nicht. Fabian turnt immer volle Pulle, setzt auf Risiko. Und dann werden wir sehen, ob es aus Sicht des Cheftrainers reicht“, fügte er an. Doch Boy hält dagegen: „Für Herrn Hirsch gibt es keine Ausnahmen. Er ist da unberechenbar“, sagte der Cottbuser, der in den kommenden Wochen noch kräftig zulegen muss.

Bei den Frauen dürfte die EM-Dritte Kim Bui für die WM-Riege unersetzbar sein. Bei ihrem ersten Mehrkampf seit dem Kreuzbandriss im Februar 2010 setzte sich die 22-jährige Stuttgarterin mit 55,10 Punkten vor Nadine Jarosch (Detmold/54,35) durch. Elisabeth Seitz, die Mehrkampf-Vize-Europameisterin, hatte sich beim Training eine Fußverletzung zugezogen. Sie musste daher auf einen Start verzichten, kam aber auf Krücken in die Halle. „Es geht schon besser, nächste Woche kann ich wieder springen“, sagte die Mannheimerin.

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