Fußball Zum 80. Geburtstag: Was Otto Rehhagel als Trainer so besonders macht

Düsseldorf. Es ist still geworden um Otto Rehhagel, und er mag daran nichts ändern. Er ist einer der populärsten und erfolgreichsten deutschen Fußball-Trainer, doch er verweigert sich auch an seinem 80. Geburtstag an diesem Donnerstag den Gepflogenheiten: Kein Interview, kein TV-Auftritt, keine öffentliche Ehrung.

 Erfolg im Jahr 1988: Trainer Otto Rehhagel (l) vom SV Werder Bremen hält am im heimischen Weserstadion vor einer Fotografenschar die DFB-Meisterschale hoch.

Erfolg im Jahr 1988: Trainer Otto Rehhagel (l) vom SV Werder Bremen hält am im heimischen Weserstadion vor einer Fotografenschar die DFB-Meisterschale hoch.

Foto: Thomas Wattenberg

„Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet und bin niemandem mehr etwas schuldig — nur meiner Frau. Die Zeit, die mir noch bleibt, will ich nutzen, um all die Dinge zu erleben, von denen ich als junger Mann geträumt habe“. So hat er kürzlich erklärt, warum er nirgendwo als WM-Experte auftrat und kaum Interviews gibt.

Seine Heimatstadt Essen war und ist Lebensmittelpunkt für ihn und seine Frau Beate, die während seiner gesamten Karriere die wichtigste Ratgeberin war und ihm die Journalisten vom Leibe hielt: „Der Trainer ist nicht zu sprechen.“ So ähnlich hat sie auch jetzt Interview-Anfragen freundlich, aber bestimmt abgelehnt.

„Trotz aller Pokale und Meisterschaften, die ich geholt habe — Beate ist mein größter Erfolg. Das wird immer so bleiben“, sagt Rehhagel über seine Frau. Und der größte seiner vielen sportlichen Erfolge? Der Europapokalsieg mit Werder Bremen 1992? Die deutsche Meisterschaft mit Aufsteiger Kaiserslautern 1998? Oder doch die Europameisterschaft 2004 mit Außenseiter Griechenland? Oft ist er gefragt worden, nie hat er einen der Triumphe ausgewählt. Sondern manches Mal erzählt von Rockenhausen. Der Fußballverein in dem Dorf in der Nordpfalz steckte 1970/71 im Abstiegskampf der A-Liga. In der Not schrieb man einen Brief an Otto Rehhagel, den Lizenzspieler des nahen Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern und trug ihm die Trainerstelle an.

Er sagte zu, fuhr dreimal die Woche 35 Kilometer nach Rockenhausen, spielte samstags in den Stadien der Bundesliga und betreute sonntags den FV Rockenhausen auf dem giftigen Ascheplatz. Aufwandsentschädigung: 800 Mark im Monat. Rehhagel gelang das Wunder, das erste von vielen in seiner Trainerlaufbahn.

Der FV Rockenhausen schaffte den Klassenerhalt. Als der Club den Trainer verabschiedete, sangen sie zu seinen Ehren: „Muss i denn, muss i den zum Städele hinaus?“ Rehhagel erinnert sich an die letzte Heimfahrt aus Rockenhausen: „Ich weiß noch genau, wie glücklich und beschwingt ich auf dem Rückweg war.“ Damals muss er gespürt haben, dass Trainer nicht sein Beruf, sondern seine Berufung werden würde. Ein Team des regionalen TV-Senders SWR fragte kürzlich in Rockenhausen Zeitzeugen nach Rehhagels Wirken vor 57 Jahren. Was die grau gewordenen Spieler von damals erzählen, entspricht auf verblüffende Weise den Aussagen berühmter Profis, die später unter Rehhagel spielten.

„Das Besondere war nicht sein Training, sondern waren seine Ansprachen. Danach wolltest du nur eins: Raus auf den Platz und gewinnen“, erzählt einer; ein anderer erwähnt die Einzelgespräche, die Rehhagel mit jedem Spieler führte: „Er hatte für unsere Probleme immer ein Ohr, aber er verlangte Disziplin und Zusammenhalt.“ Und alle, bis hin zur Bedienung im Café, erinnern sich an seine menschliche, freundliche Art.

Auch als Aufgabe war Rockenhausen wie ein Vorzeichen seiner Karriere: Rehhagel übernahm die heiklen Jobs, die schwierigen Stellen, die durchschnittlichen Mannschaften. Als Retter geheuert, dann schnell gefeuert: Mit diesem Ruf hatte er in den Anfängen zu kämpfen, erst beim SV Werder änderte sich das.

Ob in Rockenhausen, Bremen, Kaiserslautern oder Griechenland: Fast überall holte Rehhagel mehr aus seinen Mannschaften heraus, als die Summe der Einzelkönner hergegeben hätte.

Nur einmal hatte er einen großen Verein, doch das Engagement beim FC Bayern wurde zu einem Missverständnis, das vorzeitig mit der Entlassung des Wunschtrainers endete. In der Glanz-und-Glamour-Welt des FC Hollywood war Rehhagel mit seinen Werten und Überzeugungen fehl am Platze.

Ob er mit seinen einfachen Weisheiten, seinen Trainingsmethoden und seiner simplen Spielweise noch hineinpassen würde in die moderne Fußball-Welt? Er selbst ist von seinen Weisheiten überzeugter denn je, der Fußball hat für ihn keine Neuigkeiten mehr parat.

Neulich besuchte er die B-Jugend von Fortuna Bredeney, einem Club in Essen; einer von etlichen Terminen, die Rehhagel in seiner Heimat gern wahrnimmt. Er besucht Schulklassen, lost das Viertelfinale im Niederrheinpokal aus und schaut bei seinen früheren Vereinen TuS Helene und RWE vorbei.

Überall hängen sie dann an seinen Lippen, und es wird im lautesten Vereinsheim still. Rehhagel öffnet die Schatzkiste mit seinen Ankedoten und bringt ein paar Ratschläge unter die Menschen. „Heute wird der Fußball in komplizierte Vokabeln gehüllt“, sagte er den Jungs in Bredeney, „aber statt sich mit diametral abkippenden Sechsern zu beschäftigen, gebe ich euch den Rat: Übt den richtigen Spannstoß und den sauberen Kopfball!“

Das war erst vor ein paar Wochen, und man darf — auch ohne mit ihm gesprochen zu haben — behaupten: Otto geht´s gut, er ist ganz der Alte.

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