Neuerungen und Skepsis WM-Premiere: Videobeweis auf großer Bühne

Moskau (dpa) - WM-Premiere mit Risikofaktor: In Russland ist der Videobeweis erstmals auf der ganz großen Bühne zugelassen und soll den Kampf um den wichtigsten Fußball-Titel der Welt gerechter machen.

Neuerungen und Skepsis: WM-Premiere: Videobeweis auf großer Bühne
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„Die Chance, eine richtige Entscheidung ohne Video-Assistent zu treffen liegt bei 93 Prozent. Mit dem Video-Assistenten liegt sie bei 99 Prozent“, sagt FIFA-Präsident Gianni Infantino. Die Erfahrung in der Bundesliga hat jedoch auch gezeigt: Der Umgang mit einer derart gravierenden technischen Neuerung muss sich erst einspielen - und selbst dann sind Streitfälle und heftige Diskussionen vorprogrammiert.

Sich benachteiligt fühlende Clubs, der Ärger des FC Bayern im Pokalfinale über einen versagten Elfmeter und die ständig diskutierte Frage: Wann greift der Video-Assistent ein und wann nicht? Woche für Woche wurde diese Saison in Deutschland debattiert.

Durch Workshops und klare Anweisungen will der Fußball-Weltverband die WM-Schiedsrichter detailliert vorbereiten. Nur bei offensichtlichen Fehlern der Unparteiischen bei Torentscheidungen, Abseitsstellungen, Platzverweisen oder bei der Verwechslung eines zu bestrafenden Spielers soll der Video-Referee eingreifen. FIFA-Schiedsrichter-Chef Pierluigi Collina weiß jedoch auch: „Es wird weiterhin Vorfälle geben, bei denen es keine finale Antwort gibt.“

Ex-Nationalspieler Matthias Sammer sieht den Videobeweis bei der WM kritisch. Für ein solches Turnier sei die Technik „grundsätzlich nicht geeignet“, sagte er. Es lägen viel zu wenige Erfahrungswerte vor, „und wir haben ja in der Bundesliga gesehen, was das zu Beginn der Saison bedeutet hat.“

Die fehlende Routine vieler Schiedsrichter im Umgang mit der Technik könnte zum Problem werden. Zwar wählte die FIFA Referees als Video-Assistenten aus, die die Hilfe bereits aus ihrer Liga kennen - so sind aus Deutschland Bastian Dankert und Felix Zwayer dabei. Doch der Wirbel um Zwayer im Pokalfinale beweist, dass selbst erfahrene Schiedsrichter nicht vor Diskussion gefeit sind. Zudem haben viele der 36 Hauptschiedsrichter, die letztendlich die Entscheidungen auf dem Platz treffen, jedoch keine Liga-Erfahrung mit dem Videosystem. Schon beim Confed Cup im vergangenen Jahr führte dies oft zu Chaos.

Bei jedem WM-Spiel sollen ein Video-Referees und drei Assistenten die Partie auf mehreren Bildschirmen im Video Operations Room in Moskau verfolgen. Die Kommunikation untereinander und mit dem Schiedsrichter auf dem Platz ist ein wichtiger Faktor. Deshalb sollen die Teams auch nach Sprachgruppen zusammengesetzt werden.

Anders als in der Bundesliga werden die Fans im Stadion über Entscheidungen nach Videobeweis umfassend informiert. „Wir werden Grafiken und Wiederholungen auf den riesigen Bildschirmen haben und wir werden die Fans über den Ausgang eines Videobeweises und die Überprüfung informieren“, kündigte Sebastian Runge an, der bei der FIFA für Innovationen zuständig ist. Die Erklärungen sollen auch auf der FIFA-Webseite, der App und im Fernsehen zu sehen sein, sagte Runge.

Der Videobeweis war Anfang März in das internationale Fußball-Regelwerk aufgenommen worden. Mitte März hatte anschließend das FIFA-Council beschlossen, dass die Technik bei der WM eingesetzt werden soll.

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