Analyse Wie die Fifa die WM in Russland als Kommerz-Spielwiese nutzt

Während die WM für die FIFA einmal mehr eine Gelddruckmaschine ist, muss das Ausrichterland kräftig draufzahlen - eine Analyse.

 Die Fans nehmen kaum Notiz von der Kommerz-Show der Fifa.

Die Fans nehmen kaum Notiz von der Kommerz-Show der Fifa.

Foto: Rebecca Blackwell

Moskau. Es ist das Fußballfest der Völker der Welt — aber gleichzeitig nutzt die FIFA ihre WM als Spielwiese für Kommerz. Wer sich vor Russlands Stadien umsieht, bemerkt: Die Fans nehmen kaum Notiz davon. Den Weltverband muss das nicht stören.

Achtelfinale Spanien gegen Russland, zwei Stunden vor Anstoß auf dem weitläufigen Areal vor dem Luschniki-Stadion: Wummernde House-Musik dröhnt aus den Boxen eines in weiß gehaltenen Standes, auf dem oben eine tanzende junge Frau die Regler eines Mischpultes nach oben zieht. Die eingeflochtenen Haare, die Bräune ihrer Haut und weitere prägende Körperteile sind so künstlich wie der in dieser Parklandschaft hineingepflanzte, sterile Kommerz-Aufbau, auf dem sie steht.

Fans laufen vorbei, einige schnell flüchtend vom Lärm, andere davon animiert, jubelnd und tanzend. Zum Stand selbst zieht es kaum einen. So bekommen die meisten Besucher gar nicht mit, wer da die Bühne für Promotion nutzt: Ein Telekommunikationsdienstleister aus China — er steht perfekt für die Veränderung der FIFA-Sponsorenlandschaft in den letzten Jahren.

Der Korruptionsskandal bei der WM-Vergabe nach Russland und Katar hat Spuren hinterlassen: Für acht vorgesehene WM-Sponsorenplätze konnte die FIFA nur fünf Interessenten gewinnen — neben langjährigen Partnern aus dem Nahrungsmittelbereich drei chinesische Unternehmen. Auch in der Kategorie „regionale Unterstützer“ aus Europa fanden sich nur vier Firmen — allesamt russische, die dank kräftiger Rabatte ins Boot geholt werden konnten.

Nur die Top-Kategorie „FIFA-Partner“ blieb weitgehend stabil mit sieben von acht besetzten Plätzen, darunter ein Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach, aber auch schon Partnern aus Katar und China — nun präsent im Fernsehen in aller Welt mit exotischen Schriftzeichen auf der Bandenwerbung neben den Spielfeldern. Sie übernahmen Plätze von Firmen aus Europa und den USA, deren Entscheider die FIFA inzwischen als „toxische Marke“ bewerten.

So versuchen nun vor Luschniki, Animateure für einen chinesischen Konzern vor allem junge Leute an die Tische zu locken. Dort kann man mit Handys Autos steuern, die einen Fußball ins Tor treiben sollen: Eine gewöhnungsbedürftige Sache, die noch keine große Begeisterung bei den Fans auslöst. Doch es sind nur erste Vermarktungsschritte aus einem Land, in dem mit über 1,3 Millionen mehr Menschen leben als in den Fußball-Kernkontinenten Europa und Südamerika zusammen.

China dürfte allein wegen der Größe seines Absatzmarktes die Fußball-Zukunft gehören. Und seine Firmen könnten der FIFA helfen, ihren Haushalt zu stabilisieren, der auch angesichts der immensen Wahlkampf-Geldversprechungen von Präsident Gianni Infantino an die Mitgliedsverbände etwas unter Druck geraten ist. Zudem sanken die Sponsoreneinnahmen für den WM-Zyklus 2018 gegenüber dem Turnier in Brasilien um 179 Millionen auf 1,45 Milliarden Dollar.

Ein Verlust, den die Organisation aber durch die Steigerung der Erlöse bei den TV-Rechten sowie den Verkauf von Tickets, Lizenzrechten und Hospitality-Paketen mehr als kompensieren kann: So rechnet der Weltverband mit einer Steigerung der Einnahmen bei der WM 2018 um über eine Milliarde auf 5,2 Milliarden Euro. Während die WM für die FIFA einmal mehr eine Gelddruckmaschine ist, muss das finanziell nicht auf Rosen gebettete Ausrichterland kräftig draufzahlen — wie schon zuletzt Brasilien und Südafrika.

Offiziell soll in Stadien und Infrastruktur die Rekordsumme von zehn Milliarden Euro investiert worden sein, inoffiziell dürfte noch deutlich mehr dazukommen, allein an Kosten für Organisation und Sicherheit. Klar brachten WM-Touristen ein wenig Geld ins Land — ein Effekt, der für die einheimische Normalbevölkerung allerdings kaum spürbar werden dürfte. Zumal innerhalb der Bannmeilen rund um die Stadien und auf den Fanfesten nur von der FIFA lizenzierte Produkte vertrieben werden durften, an denen der Weltverband kräftig mitverdient — und auch außerhalb davon russische Soldaten und Polizisten penibel jeden improvisierten Handel unterbanden.

So bleibt nur die Hoffnung vieler Russen darauf, dass infolge der WM in den nächsten Jahren mehr Touristen ins Land kommen werden. Angesichts des wohl weiter angespannten politischen Klimas erscheint dies aber mehr als zweifelhaft.

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