Meinung: Die WM ist nicht nur ein unbeschwertes Fußballfest

Wie sehr Politik und Sport mittlerweile verwoben sind, ist in Tagen, in denen die deutschen Fußball-Nationalspieler Gündogan und Özil drohen, an einem bedenklichen Auftritt mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan ihre ganz persönliche WM zerschellen zu lassen, deutlich geworden.

Wer schüttelt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Hand? Die Öffentlichkeit wird mehr denn je darauf achten wie sich Politiker gegenüber dem Gastgeber Putin verhalten. Im Bild: Wladimir Putin (r), russischer Präsident, begrüßt Evo Morales, Präsident von Bolivien im Kreml.

Wer schüttelt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Hand? Die Öffentlichkeit wird mehr denn je darauf achten wie sich Politiker gegenüber dem Gastgeber Putin verhalten. Im Bild: Wladimir Putin (r), russischer Präsident, begrüßt Evo Morales, Präsident von Bolivien im Kreml.

Foto: Alexei Nikolsky

Das erhält auch Konturen, wenn die Öffentlichkeit mehr denn je darauf achtet, wie der DFB, deutsche und europäische Politiker vor Ort ab der am Donnerstag beginnenden Fußball-WM mit dem russischen Gastgeber Wladimir Putin und dessen Funktionärsapparat umgehen.

Die Zeiten, in denen deutsche Nationalspieler wie 1978 in Argentinien kritiklos über den Fußball-Platz bürsteten, während die argentinische Militärjunta politische Gegner folterte, oder Franz Beckenbauer völlig ungestraft sagen konnte, er habe beim Aufbau der WM-2022-Arenen in Katar „noch keinen Sklaven gesehen“ scheinen tatsächlich vorbei zu sein.

Das liegt an zweierlei: Die mediale Aufmerksamkeit für den Fußball und dessen Protagonisten hat einen Höhepunkt erreicht. Mithin ist auch die Bedeutung dessen gewachsen, was da verbal und visuell von sich gegeben wird. Soll heißen: Es gibt viele Menschen, die sich daran orientieren. Und: Die Weltpolitik ist extrem in den Fokus gerückt. Die Verschiebung hin zu zunehmend autarken Staaten mit fragilen Demokratien oder bloßen Diktaturen, die sich belauern.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Russland ist als Gastgeber keine gute Wahl. Das reiht sich ein in Olympia in Sotschi oder Peking, eben stets dort, wo Fifa und IOC ohne Beschäftigung mit anstrengenden Demokratien auf kurzem Wege mit dem Machthaber Geschäfte machen können. Die Vergabe der WM 2026 an Trumps USA am Mittwoch reiht sich da durchaus ein.

Was aber bleibt für den Blick auf diese WM? Vielleicht für den Zuschauer, die Lust am Spiel wiederzuentdecken und sich von Auswüchsen des modernen Fußballs samt der beschriebenen Konflikte zu isolieren. Vielen wird das auch bei dieser WM wieder gelingen, das wird man schnell sehen an Einschaltquoten und Deutschlandfahnen am Pkw-Außenspiegel. Gewiss aber muss man die Forderung an jeden Akteur vor Ort stellen, offensiv für Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Toleranz einzustehen. Und sich seiner Verantwortung auch bewusst zu sein. Mesut Özil hat das noch nicht verstanden. Aber die Zeiten, in denen sich dieser Sport leisten konnte wegzusehen, müssen vorbei sein. Er vergäbe große Chancen.

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