Vom Pflegecamp ins Maracanã - Final-Feeling für DFB

Santo André (dpa) - WM-Klassiker im Endspiel-Stadion: Nach dem Zittersieg im Achtelfinale wollen Joachim Löw und sein Team in der Fußball-Kultstätte Maracanã die Titelhoffnungen der deutschen Fans neu schüren.

Vom Pflegecamp ins Maracanã - Final-Feeling für DFB
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„Deutschland gegen Frankreich waren immer Spiele auf einem extrem hohen Niveau mit viel Spannung“, erklärte der Bundestrainer vor dem WM-Viertelfinale gegen die „Grande Nation“. Löw erwartet auch für die Partie in Rio de Janeiro ein großes Spektakel.

Nach einem Pflegetag mit Familienanschluss im Campo Bahia schwor Löw seine zuletzt matten WM-Spieler um den neuen Torwart-Helden Manuel Neuer gleich auf den nächsten Fußball-Krimi ein. „Das wird ein enges Spiel. Wir werden uns darauf vorbereiten“, sagte Löws Assistent Andreas Köpke, der als Torwartcoach erneut besonders auf die Qualitäten von „Libero“ Neuer setzt.

Schiedsrichter Nestor Pitana aus Argentinien wird die Partie leiten, teilte der Weltverband FIFA am Mittwoch mit. Für den 39-Jährigen, dessen internationale Karriere vor vier Jahren begonnen hatte, ist es der bereits vierte Einsatz bei der Endrunde in Brasilien. Zuvor hatte der Sportlehrer die Gruppenspiele Russland gegen Südkorea, USA gegen Portugal und Honduras gegen die Schweiz gepfiffen.

„Wir brauchen elf Spieler auf dem Platz, die zu hundert Prozent fit sind“, betonte dagegen der 28 Jahre alte Keeper des FC Bayern, der mit spektakulären Rettungstaten großen Anteil daran hat, dass die deutsche Nationalelf am Freitag im Maracanã-Stadion, in dem am 13. Juli auch das Finale ausgetragen wird, überhaupt noch gegen die in Brasilien bisher überzeugenden Nachbarn antreten darf.

„Wir müssen mehr als hundert Prozent geben, um die Franzosen schlagen zu können“, schärfte Neuer seinen bisher noch zu unbeständigen Kollegen ein. Intensiv wurde im DFB-Basiscamp an der Atlantikküste bis zur Abreise in die Metropole Rio in der Nacht zum Donnerstag deutscher Zeit daran gearbeitet, die nach 120 intensiven Minuten gegen Außenseiter Algerien geschlauchten Spieler wieder fit zu bekommen. „Jetzt lege ich mich erstmal drei Tage in die Eistonne“, hatte Abwehrchef Per Mertesacker exemplarisch für die ausgelaugten DFB-Kicker erklärt.

Löw muss zusammen mit Ärzten und Fitnesstrainern genau hinschauen und entscheiden, ob zum Beispiel Bastian Schweinsteiger („Er war kräftemäßig einfach völlig am Limit“) schon wieder bereit ist für den nächsten intensiven WM-Schlagabtausch. Für die Anstoßzeit in der Mittagssonne von Rio sind mehr als 30 Grad vorausgesagt, das Achtelfinale in Porto Alegre hatte das DFB-Team noch bei 14 Grad bestritten. Cheftrainer Löw will über diese extremen Bedingungen nicht lamentieren: „Eine WM ist kein Spaziergang.“

Dennoch bleibt der Fitnesszustand einiger wichtiger Akteure eine Unbekannte im K.o.-Runden-Puzzle von Löw. Mats Hummels musste wegen eines Infekts eine Pause einlegen und verpasste das Algerien-Spiel. Auch Thomas Müller war erkältet. Lukas Podolski konnte wegen einer Zerrung im Achtelfinale nicht spielen, jetzt will er wieder dabei sein. Andere wie Jérome Boateng schleppen kleinere Blessuren mit durch das Turnier. Shkodran Mustafi kann als Abwehr-Alternative wegen eines Muskelbündelrisses in Brasilien überhaupt nicht mehr spielen.

Ob die erzwungene Lösung im Verlauf des Algerienspiels mit Philipp Lahm als Rechtsverteidiger entgegen Löws vorherigen Aussagen nun doch wieder eine WM-Option werden könnte, ließ der Bundestrainer zunächst offen. „Wenn mich der Trainer rechts stellt, spiele ich rechts“, sagte Lahm selbst. Im Achtelfinale sei der Wechsel innerhalb des Spiels „nicht so einfach“ gewesen, erklärte der Kapitän. Vor allem, da er länger nicht dort gespielt habe. „Das ist nicht meine Entscheidung“, sagte der 30-jährige Lahm.

Unabhängig von diesem Thema sieht Löw im Torabschluss noch ein beträchtliches Verbesserungspotenzial. „Chancenauswertung und Effizienz müssen natürlich besser sein“, sagte der Bundestrainer, dessen Achtelfinal-Plan erst in der Verlängerung aufging. Zudem muss die Fehlerquote im Spielaufbau reduziert werden. „Es gibt sicherlich ganz viel zu überarbeiten und zu kritisieren, aber wir müssen jetzt nicht alles schlecht reden“, meinte Abwehrmann Boateng.

So „irgendwie durchgemogelt“, wie André Schürrle nach dem Achtelfinale feststellte, wird das Team die Aufgabe gegen die wiedererstarkten Franzosen kaum aufgehen können. „Je weiter man kommt, umso weniger können wir uns erlauben. Wir müssen uns auf jeden Fall noch steigern“, sagte Manager Oliver Bierhoff vor der Neuauflage des WM-Klassikers gegen Frankreich.

Dreimal sind sich beide Fußball-Nationen bei Weltmeisterschaften bisher begegnet. Vor allem das Drama von Sevilla 1982 hat sich eingebrannt, das von einem bösen Foul von Torwart Toni Schumacher an Patrick Battiston überschattet wurde. Deutschland gewann das Halbfinale im Elfmeterschießen. Auch 1986 in mexikanischen Guadalajara siegte das DFB-Team im Semifinale 2:0. Nur 1958 in Schweden ging das eher unbedeutende kleine Finale um Platz drei mit 3:6 verloren. Löw will sich aber mit der Vergangenheit nicht aufhalten: „Damit beschäftigen wir uns überhaupt nicht.“

Vielmehr geht es darum, wie man den aktuellen Qualitäten des französischen Teams beikommen kann. „Man hat ganz genau gesehen in der Gruppenphase oder im Spiel gegen Nigeria, wie stark die Franzosen sind“, erklärte der 105-malige Nationalspieler Schweinsteiger in der ARD. „Sie haben sehr gute Einzelspieler in ihren Reihen, die sehr hohe Qualität haben. Aber sie spielen auch als Mannschaft.“

Optimismus schöpfen die deutschen Spieler aus dem jüngsten Aufeinandertreffen mit Frankreich. Beim 2:1 im Februar 2013 in Paris ging Löws Taktik mit einer „falschen Neun“ im Angriff voll auf. Es war der erste deutsche Sieg im Nachbarschaftsduell nach fast 26 Jahren. Thomas Müller und Sami Khedira waren die Torschützen.

Der WM-Torjäger will auf jeden Fall noch ein zweites Mal nach Rio - zum Endspiel. Deshalb zählt für ihn auch im Viertelfinale nur das Ergebnis: „Mir ist es wirklich egal, wie wir die Spiele gewinnen“, erklärte Müller. Per Mertesacker erwartet „ein komplett anderes Spiel“ als gegen Algerien: „Wir freuen uns aufs Maracanã.“

Die voraussichtliche Aufstellung:

Neuer - Lahm, Mertesacker, Hummels, Höwedes - Khedira, Schweinsteiger, Kroos - Schürrle, Müller, Özil

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