Nummer-1-Chance schwindet Gereifter Torwart ter Stegen in der Neuer-Falle

Eppan (dpa) - Es soll(te) eigentlich sein WM-Sommer werden. Doch in Südtirol muss Fußball-Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen im Eiltempo die Wandlung vom Hauptdarsteller zurück zur Randfigur hinter Manuel Neuer meistern.

Nummer-1-Chance schwindet: Gereifter Torwart ter Stegen in der Neuer-Falle
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Im Trainingslager in Eppan dreht sich so gut wie alles um den Kapitän - und so gut wie nichts mehr um ter Stegen. Neuer durfte am Mittwoch im zweiten geheimen Test gegen die U20 weitere 70 Minuten Spielpraxis sammeln. Und am Samstag (18.00 Uhr) soll der Weltmeister-Torwart in Klagenfurt gegen Österreich sein Länderspiel-Comeback nach reichlich eineinhalb Jahren feiern. Und ter Stegen? Die 26 Jahre alte Nummer 1 des FC Barcelona muss zuschauen, wie die Chancen, bei der Weltmeisterschaft in Russland im deutschen Tor zu stehen, von Tag zu Tag schwinden.

Der Frust ist ter Stegen anzusehen. „Es ist keine glückliche Konstellation für Marc“, bestätigte Löws Assistent Thomas Schneider am Mittwoch, der wieder nur ein guter Tag für Neuer war. „Wenn man einen Torhüter hat, der so unfassbar gut ist, dann möchte man ihm die Tür solange wie möglich offen halten“, sagte Schneider über Neuer.

„Natürlich würde Marc diese WM gerne spielen, keine Frage“, hatte zuvor schon Andreas Köpke angemerkt. Der Torwartcoach hat ter Stegen gemeinsam mit Joachim Löw in einem Gespräch sogar schon auf die sich anbahnende Rückstufung zur Nummer 2 vorbereitet. „Und er kann da ganz gut mit umgehen“, glaubt Köpke. Neuer genießt einfach bei Löws Stab einen Sonderstatus, trotz ter Stegens starker Saison. „Marc weiß auch, dass es eine besondere Situation ist mit Manuel. Er ist unser Kapitän. Wir sind 2014 Weltmeister mit ihm geworden“, sagte Köpke. Deshalb werde bis zum Schluss alles versucht, dass Neuer spielt.

Ter Stegen stieß erst verspätet zum vorläufigen WM-Kader in Eppan. Und noch bevor er den Konkurrenzkampf mit Neuer überhaupt richtig aufnehmen konnte, legte sich Bundestrainer Löw bereits darauf fest, dass Neuer bei der WM im Tor stehen werde, wenn er nach seinem Mittelfußbruch hundertprozentige Turnierfitness nachweisen kann.

Aktiv beeinflussen kann ter Stegen aktuell nichts, egal wie gut er in Südtirol trainiert. Alles hängt von Neuer ab. Dessen lange Abwesenheit seit dem 74. Einsatz für Deutschland am 11. Oktober 2016 beim 2:0 gegen Nordirland hatte der inzwischen 26-jährige ter Stegen aktiv für sich nutzen können. Neun Siege, drei Unentschieden, sechs Gegentore lautete seine ausgezeichnete Bilanz in zwölf Länderspielen. Die erfolgreiche WM-Qualifikation mit zehn Siegen in zehn Spielen verantwortete auf der Torwartposition hauptsächlich ter Stegen.

Noch im März, beim 1:1 im hochkarätigen Test gegen Spanien, wies ter Stegen in Düsseldorf seine WM-Reife nach. Löw rühmte den ehemaligen Gladbacher, der beim FC Barcelona in die Weltklasse aufgestiegen ist. „Beim Confed Cup hat er eine überragende Rolle gespielt. Er spielt hervorragend mit, ist sehr ruhig, gelassen und fokussiert. Er hat noch mal einen Reifeprozess durchgemacht“, sagte der Bundestrainer.

Zwei Monate später ist ter Stegen nur noch der Nummer-2-Status vor Bernd Leno (Bayer Leverkusen) und Kevin Trapp (Paris Saint-Germain) sicher. Wenn Neuer zur WM mitfährt, darf einer der beiden als dritter Torwart mit nach Russland. Der andere wird aus dem Kader gestrichen.

Ter Stegen bleiben aktuell nur warme Worte der Sportlichen Leitung um Löw. „Wir haben Marc gesagt, dass wir überhaupt keine Bedenken hätten, mit ihm in diese WM zu gehen - auch als Nummer 1“, sagte Köpke. „Er hat sich beim Confed Cup schon super entwickelt und hat eine fantastische Saison bei Barcelona gespielt. Und das macht die Sache natürlich nicht einfacher“, ergänzte der Torwartcoach.

Was kann ter Stegen aktuell machen? Nichts. Er muss abwarten, ob Neuer den WM-TÜV gegen Österreich besteht. „Wir müssen dann das Fingerspitzengefühl haben, mit Manuel zu entscheiden, ob es geht oder nicht“, sagte Köpke mit Blick auf den Ernstfall bei der WM. Für den Fall, dass dann überraschend doch noch ter Stegen im Tor stehen sollte, baute Köpke im Trainingscamp zumindest vor: „Egal wie es ausgeht, wir werden auf der Torhüterposition top besetzt sein.“

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