Die Mannschaft steht zu Jogi Löw: "Wir wollen den Weg gemeinsam weitergehen"

Es war ein bitteres Aus der DFB-Elf in der WM-Vorrunde. Das gab es noch nie in der deutschen WM-Geschichte. Sofort wird der Ruf nach einem Rücktritt von Jogi Löw laut. Doch wie steht der DFB und die Mannschaft zum Nationaltrainer?

 Es ist wohl eine der schlimmsten Stunden für Jogi Löw in seiner Karriere als Nationaltrainer - das Aus in der WM-Vorrunde.

Es ist wohl eine der schlimmsten Stunden für Jogi Löw in seiner Karriere als Nationaltrainer - das Aus in der WM-Vorrunde.

Foto: Andreas Gebert

Kasan. Auf der Bühne sitzt der Mann, der für die größte sportliche Enttäuschung Deutschlands der vergangenen Jahrzehnte zumindest mitverantwortlich ist. Wenige Minuten nach dem 0:2 gegen Südkorea soll Joachim Löw erklären, warum seine Mannschaft in der Vorrunde der Weltmeisterschaft ausgeschieden ist. Die Faktenlage ist eindeutig. Drei Spiele, ein Sieg, zwei Niederlagen, Gruppenletzter. Eine deutsche Nationalmannschaft, die in drei Partien lediglich ein Tor aus dem Spiel heraus erzielt und immer mindestens einen Gegentreffer kassiert. Gegen Schweden, Mexiko und Südkorea.

Einzig logische Schlussfolgerung: "Wir haben es nicht verdient, die Gruppenphase zu überstehen", sagt Löw also auf der Bühne, die aufgebaut ist wie ein Tribunal. Unten sitzt der Bundestrainer, über ihm die Fragesteller. Doch es gibt so kurz nach dieser historischen Niederlage Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Wie es soweit kommen konnte, dass diese Mannschaft der Hochtalentierten in der Vorrunde ausscheidet, ist den Betroffenen unbegreiflich. "So wie es für den Erfolg viele Faktoren gibt, gibt es die auch für den Misserfolg", sagt Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff.

Der WM-Schock von Kasan: Deutschland trauert, Deutschland zittert
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Sie zu benennen, gelingt aber keinem am Abend nach dem Spiel. Klar, es gibt Indizien. Löw spricht von einer gewissen "Selbstherrlichkeit" im Vorfeld der Mexiko-Partie. Da habe man noch gehofft, nach den unerquicklichen Vorbereitungsspiele einfach so "auf Knopfdruck einen Gang hochschalten zu können." Es gelang nicht. Stattdessen knirschte es im Getriebe - und das vom ersten Tag der Vorbereitung an. Die unsäglichen Fotos von Ilkay Gündogan und Mesut Özil mit Recip Tayyip Erdogan. Der schwache Umgang des Deutschen Fußballbundes mit der Affäre.

Dann die angeschlagenen Jerome Boateng und Manuel Neuer. Schließlich der fehlende Esprit in den Partien. Allessamt Ursachen für das Aus in der Vorrunde. Für einige ist der Bundestrainer verantwortlich, für andere nicht. "Ich habe die Verantwortung dafür, dazu stehe ich", sagt Löw. Wer Verantwortungen nicht gerecht wird, dem werden sie auch mal entzogen. Das aber will der DFB vermeiden. Dort ist man überzeugt davon, mit dem Bundestrainer Joachim Löw weiterarbeiten zu wollen. "Ich hoffe und gehe davon aus, dass er die Aufgaben ab dem September wieder voll angeht", so Bierhoff.

Deutschland gegen Südkorea: Die Blamage in Bildern
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Es ist Löw selbst, der seine Zukunft offen lässt. "Es ist zu früh für mich, diese Frage zu beantworten. Die Enttäuschung ist tief in mir drinnen. Ich bin der erste, der sich hinterfragen muss. Da muss ich jetzt erst mal eine Nacht drüber schlafen." Nach dieser Nacht fliegt die deutsche Mannschaft am Donnerstag um 12 Uhr von Moskau aus nach Hause. Möglicherweise ist es die letzte Dienstreise Löws als Nationaltrainer.

Seine Spieler hoffen, dass er sich anders entscheidet. Mats Hummels, Thomas Müller oder auch Joshua Kimmich. Wer bei den Reportern stehenbleibt, äußert beinahe wortgleich: "Wir wollen den Weg gemeinsam weitergehen." Dieser Weg hätte auch in Russland nicht schon in der Vorrunde enden müssen. Die Deutschen hatten sich mit dem 2:1-Sieg gegen Schweden in eine hervorragende Ausgangsposition gebracht. Der Erfolg sollte als emotionaler Türöffner zu diesem Turnier dienen.

Gegen Südkorea aber war der Schwung schon wieder verpufft. Mit seinen fünf Wechseln in der Startformation hatte Löw freilich auch recht wenig Wert auf mögliche Automatismen gelegt. Seine Begründung: "Manchmal findet sich eine Mannschaft erst im Verlauf des Turniers. Da ist es besser dem ein oder anderen auch mal eine Pause zu gönnen." Pausen hatte beinahe jeder Spieler. Bis auf Matthias Ginter kam jeder Feldspieler in der Vorrunde zum Einsatz.

Nach einer Enttäuschung wie dieser, wird jede Entscheidung kritisch gesehen. Hätte aber beispielsweise der Kopfball von Leon Goretzka in der 47. Minute seinen Weg ins Tor gefunden und wäre nicht von den Fäusten des Torwarts Hyeon Woo Jo pariert worden - Löw wäre für seinen Mut gelobt worden, den WM-Neuling einzusetzen. Der Konjunktiv aber ist der größte Feind der Sportler. Die Frage "Was wäre wenn" wird meist im Falle der Niederlage gestellt. Es gibt keine Antwort auf sie. Ebenso wenig wie auf die Frage nach dem einen Grund, der ausschlaggebend für das Aus war. Oder auch die Frage nach Löws Zukunft. Die aber wird immerhin bald geklärt sein. Ausgang offen.

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