WM-Affäre: Franz Beckenbauer und seine Freunde schweigen

Mehr Fragen als Antworten bietet die ARD-Dokumentation über den abgetauchten „Kaiser“, den Macher des Sommermärchens 2006.

 Ein Filmteam des NDR ist auf Spurensuche gegangen und hat eine Dokumentation über Franz Beckenbauer erstellt. Sie wird am Dienstagabend in der ARD ausgestrahlt. (Archivfoto)

Ein Filmteam des NDR ist auf Spurensuche gegangen und hat eine Dokumentation über Franz Beckenbauer erstellt. Sie wird am Dienstagabend in der ARD ausgestrahlt. (Archivfoto)

Foto: dpa

Osnabrück. Über 50 Jahre lang war Franz Beckenbauer nahezu ununterbrochen allgegenwärtig. Seit der Affäre um das Sommermärchen 2006 ist der „Kaiser“ abgetaucht. Ein Filmteam des NDR ist auf Spurensuche gegangen.

Natürlich sind auch wieder die Bilder dabei, die im kollektiven Gedächtnis verankert sind: Beckenbauer als leichtfüßiger Libero des FC Bayern, Beckenbauer als Weltmeister 1974, Beckenbauer als Teamchef 1990 nach dem WM-Titelgewinn einsam auf dem römischen Rasen, Beckenbauer als Gesicht einer grandiosen WM in Deutschland.

Aber darum geht es nicht in dem 45-minütigen Film, der am Dienstagabend nach der Übertragung der DFB-Pokalspiele und damit frühestens um 23.30 Uhr in der ARD gezeigt wird. Und es ist auch keine Dokumentation über den aktuellen Stand der Affäre um den Verdacht, die Ausrichtung der WM 2006 sei gekauft worden. Ole Zeisler und Sven Kaulbars aus der NDR-Sportredaktion wollen zeigen, wie Beckenbauer damit umgeht, dass sein sportliches Lebenswerk beschädigt worden ist. Sie wollten von denen, die ihn kennen, hören, wie sie die Rolle des Freundes sehen. Auf ein Interview mit Beckenbauer hatten die beiden höchstens gehofft, denn der Kaiser hat seit September 2016 nur noch zwei, drei öffentliche Auftritte wahrgenommen, ansonsten fliegt die einst dauerpräsente Lichtgestalt unter dem Radar der Mediengesellschaft.

Aber auch andere schweigen. Die Frage ist berechtigt: Warum eigentlich? Altbundeskanzler Gerd Schröder, Bayern-Präsident Uli Hoeneß, Bild-Mann Alfred Draxler, Beckenbauer-Manager Marcus Höfl — sie alle sind ihm verbunden, doch sie wollten nichts sagen. Die, dennoch zu Wort kommen, sagen kein schlechtes Wort. „Welche Großveranstaltung der letzten Jahre ist denn nicht gekauft worden?“, fragt Ex-Nationalspieler Paul Breitner, „die WM 2006 hätten wir ohne den Franz nie bekommen.“ Fußballkommentator Marcel Reif hält sich mit vielen klugen Worten in der Defensive, sagt aber: „Ich kann mich nicht zu seinem Anwalt machen, aber ganz sicher bin ich auch nicht sein Ankläger.“

Hut ab vor Edmund Stoiber, der sich zur Freundschaft „mit dem Franz“ bekennt, aber im gleichen Atemzug zum Rechtsstaat: „Wir machen keinen Halt vor Größen. Jeder muss zu Vorwürfen stehen und Antworten geben. Aber ich breche nicht mit einem Freund, wenn er Fehler gemacht hat.“

Doch der Freund bleibt Antworten schuldig. Und wer welche gibt wie im Interview mit der Süddeutschen Zeitung („Warum glaubt der Mensch immer nur das Schlechte?“), dann macht er sich damit nicht nur in den Augen der Enthüllungsjournalisten vom Spiegel „lächerlich“. Er habe viele Dinge einfach blanko unterschrieben oder gar nicht durchgelesen.

„Wenn er einfach ehrlich gesagt hätte, dass er Fehler gemacht hat — die Leute hätten ihn in einer Sänfte durchs Land getragen“, sagt der langjährige DFB-Pressespreche Harald Stenger und trifft einen entscheidenden Punkt. Die WM quasi mit den bei der FIFA üblichen Mitteln nach Deutschland zu holen, hätte vermutlich eine klare Mehrheit „dem Franz“ verziehen. Nicht aber das Abtauchen, das Abstreiten. Auch das fürstliche Salär für seinen WM-Einsatz hätten viele ihm gegönnt — wenn man ihnen das nicht als Ehrenamt verkauft hätte.

Am Ende ihrer dreimonatigen Arbeit haben die Reporter ihn dann doch noch getroffen, zufällig, als Gast im Restaurant seines Freundes, dem Starkoch Alfons Schuhbeck, der übrigens glaubt, man habe Beckenbauer „zerstückelt und zertrampelt“. Unmöglich sei das alles.

Vor laufender Kamera haben sie ihn gefragt, ob er ein paar Fragen beantworten könne. „Nein“, hat der ältere Herr mit der Mütze freundlich geantwortet, „ich muss da jetzt hinein.“ Der Reporter sagte „In Ordnung, schönen Abend“ und machte den Weg ins Edelrestaurant frei. Man bedrängt den Kaiser nicht, auch wenn er im Exil ist.

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