WM 2022 in Katar: Sterben für falschen Glanz

Schlimme Bedingungen für Arbeiter, die an den Bauten der WM 2022 wirken.

Berlin. Erst die handfesten Korruptionsvorwürfe und ein weltweiter Streit über eine Winter-WM, nun sogar Forderungen nach einem Boykott und einer Neuvergabe:

Die umstrittene Fußball-WM 2022 im kleinen Golfstaat Katar wird nach dem alarmierenden Bericht über „moderne Sklaverei“ mit zahlreichen Todesfällen von Gastarbeitern auf den WM-Baustellen immer mehr zu einem großen Politikum.

Die Rufe nach Konsequenzen werden jedenfalls lauter. „Ich frage mich, ob die Aspekte wie die Verlegung der WM (vom Sommer in den Winter), die Menschenrechte und die Störung des Sportkalenders nicht so groß sind, dass es die FA (englischer Fußballverband) in Betracht ziehen sollte, nicht zu spielen“, sagte das englische Parlamentsmitglied Damian Collins.

Er regte eine internationale Kooperation von Politikern auch mit Blick auf die Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der WM an. „Die Fifa versteht und respektiert nur Geld. Die einzige Macht der FA ist, nicht anzutreten.“

Sharan Burrow vom Internationalen Gewerkschaftsbund ITUC erneuerte ihre Kritik an den WM-Gastgebern und verwies auf die Kampagne „www.rerunthevote.org“ für eine Neuvergabe der WM. Schwere Vorwürfe erhebt auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

„Katar hat mit die schlimmsten Arbeitsbedingungen weltweit. Wir erwarten von der Fifa, dass sie aktiv eingreift“, sagte Regina Spöttl, bei Amnesty International zuständig für die Golfstaaten, der „Süddeutschen Zeitung“. Von „moderner Sklaverei“ zu sprechen, sei nicht übertrieben.

„Das ist sehr tragisch. Die Fifa ist gefordert, das zu hinterfragen“, sagte Sportvorstand Fredi Bobic vom VfB Stuttgart. Doch beim Weltverband heißt es lediglich, dass man „besorgt“ über die Berichte sei und die Verantwortlichen kontaktieren werde.

Auch Fifa-Boss Sepp Blatter, ansonsten ein kommunikationsfreudiger Mensch, hält sich zurück. Auf seinem Twitter-Account gratuliert er stattdessen Brasilien, Spanien und Russland zum Halbfinal-Einzug bei der Beachfußball-WM.

Allein zwischen dem 4. Juni und dem 8. August seien insgesamt 44 nepalesische Gastarbeiter auf den WM-Baustellen wegen Herzversagens oder Arbeitsunfällen gestorben. Der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC rechnet vor, dass demnach mindestens 4000 Gastarbeiter ihr Leben gelassen haben werden, ehe das erste WM-Spiel angepfiffen wird.

Die vielen Todesfälle gehen vor allem auf die katastrophalen Bedingungen zurück. Zwangsarbeit bei Temperaturen von 50 Grad, die Verweigerung von Trinkwasser und die unhygienischen Bedingungen in den überfüllten Unterkünften seien der Grund.

Außerdem hätten die Gastarbeiter, deren Pässe eingezogen worden seien, keinen Lohn erhalten. Mit rund einer halben Million Gastarbeiter aus Nepal, Sri Lanka oder Indien wird für den Bau der Stadien, Hotels oder der Infrastruktur gerechnet.

Die WM-Veranstalter gelobten indes Besserung. Es gebe keine Entschuldigung für alle Arbeitnehmer, die in Katar auf diese Weise behandelt würden, hieß es in einer wohl formulierten Mitteilung. Es sind dabei nicht die ersten Negativschlagzeilen rund um das umstrittene WM-Turnier im Wüstenstaat.

Derzeit untersucht die Fifa-Ethikkommission unter Vorsitz von Chefermittler Michael Garcia die Korruptionsvorwürfe rund um die WM-Vergabe an das Land. Streit gibt es auch um den Termin der Veranstaltung.

Die WM soll aufgrund der hohen Temperaturen im Sommer nun in die Wintermonate verlegt werden, was insbesondere auf starken Widerstand in England stößt. Auch Australien hat bereits mit millionenschweren Schadenersatzforderungen gedroht.

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