Souleyman Sané über Rassismus im Stadion: „Ich hab’ mich immer gewehrt“

Der gebürtige Senegalese (52) war einer der ersten afrikanischen Bundesliga-Profis.

Wattenscheid. Souleyman Sané sitzt im Restaurant-Hotel Kolpinghaus und genießt rheinischen Sauerbraten mit Klößen und Rotkohl. „Samy“, wie sie ihn alle nennen, ist im Senegal geboren, doch er ist nach seiner Profi-Karriere dort geblieben, wo er sich wohlfühlt. In Wattenscheid. Heute verkörpert Sané mehr Ruhrpott als mancher Eingeborener. Das war nicht immer so. Sané war zu Beginn der 1990er Jahre eine afrikanische Attraktion der Bundesliga — genau wie Anthony Yeboah, Jonathan Akpoborie oder Anthony Baffoe.

Herr Sané, Sie sind mit dem Fußball weit herumgekommen und wohnen jetzt einen Steinwurf vom Lohrheidestadion entfernt. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?

Souleyman Sané: Da ich jetzt als Spielerberater arbeite, ist Wattenscheid ein idealer Standort. Ich muss nicht hunderte Kilometer fahren, um ein Erst- oder Zweitligaspiel zu sehen. Ich habe meine Frau hier kennengelernt, und meine Kinder sind hier geboren. Wattenscheid ist Heimat. Die Älteren erkennen mich noch auf der Straße und schwärmen von den alten Zeiten, die Jüngeren allerdings nicht mehr.

Als Sie ein Bundesliga-Star waren, nannte man erfolgreiche Afrikaner im Fußball noch „Schwarze Perlen“. Haben Sie sich an diesem Begriff gestört?

Sané: Nein, das hat mich nicht gestört. Heute würden manche Spieler das aber vielleicht als diskriminierend emfinden.

Schwarze Spieler galten damals als besondere Attraktion, als Exoten. Sie haben mit der Einführung des Salto-Torjubels zum Spektakel beigetragen. War Ihnen diese Rolle bewusst?

Sané: Das war einfach nur Spaß. Ich habe mir nur überlegt, was ich Besonderes machen könnte, wenn ich wieder treffe. Aber auf uns Afrikanern lag schon ein gewisser Druck, weil die Zuschauer von uns etwas Besonderes erwarteten.

Als die ersten Afrikaner in die Bundesliga kamen, nutzten windige Spielerberater die Gelegenheit, schnelles Geld zu machen. Haben Sie diese „moderne Sklaverei“ erlebt?

Sané: Ich hatte das Glück, einen guten Berater zu haben. Aber in den 80er und 90er Jahren haben sich viele Spielerberater an den Afrikanern bereichert. Die haben den Spielern nicht erklärt, was sie verdienen können, wie das mit den Steuern läuft oder die Verträge nicht auf englisch geschrieben — und dann in die eigene Tasche gewirtschaftet.

Gibt es einen konkreten Fall aus Ihrer Karriere?

Sané: Ich kann mich noch an Tony Yeboah erinnern, der mich anrief und fragte, ob es normal sei, dass er seinem Berater 20 000 Mark im Monat zahle.

Sané: Ich sagte: Tony hast du einen Knall? Warum zahlst du das? Normal darf ein Berater nur bei einem Wechsel verdienen. Eigentlich müsste dein Berater bei dir putzen, wenn du das willst.

Als Sie in der Saison 90/91 beim HSV im Pokal spielten, regnete es Bananen und „Neger raus!“-Sprechchöre aus der Kurve. Nach ihrem Siegtreffer sagten Sie in die TV-Kameras den legendären Satz: „Nix Neger raus, HSV ist raus!“ Wie sehr haben Sie die Anfeindungen belastet?

Sané: Ich habe das am Anfang meiner Zeit in Deutschland gar nicht verstanden. Wenn Du die Sprache nicht beherrschst, verstehst du nicht was die Leute schreien. Ich dachte immer, die schreien für ihre Mannschaft. Und Mitspieler ließen mich auch in dem Glauben, damit ich weiter konzentriert spielen kann. Als ich mir dann die Sprüche übersetzen ließ, war klar: Das ist nicht ok.

Kevin-Prince Boateng vom AC Milan sorgte für Aufsehen, als er nach Affenlauten von den Rängen den Platz verließ und alle Mitspieler ihm folgten. Wäre diese Reaktion damals denkbar gewesen?

Sané: Ich kann Boateng sehr gut verstehen. Was er gemacht hat, war richtig. Ich habe mich auch immer gewehrt. Yeboah, Baffoe und ich waren die ersten, die mit dem Thema Rassismus an die Presse gegangen sind. Daraufhin wurde der DFB aktiv und hat alle Vereine angeschrieben. Heute ist Fußball international, schon in der Jugend. Da sollte Rassismus kein Problem mehr sein.

Trotzdem kommt es auf den Fußballplätzen und Tribünen zu fremdenfeindlichen Vorfällen. War Ihr Engagement umsonst?

Sané: Umsonst nicht, aber die Arbeit muss weitergehen. Die Menschen müssen reagieren, sich klar gegen Rassismus positionieren, ob in Deutschland oder beispielsweise Italien.

Haben Sie in Deutschland auch außerhalb der Stadien Fremdenhass erlebt?

Sané: Nein, privat oder auf der Straße habe ich solche Erfahrungen zum Glück nie gemacht.

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