Rafael Buschmann: Gleich nach der WM wird es ein echtes Wettbieten auf dem Transfermarkt geben

Der Enthüllungs-Journalist und Intimkenner der Fußballszene, Rafael Buschmann, spricht über Verträge, Gefahren bei der Recherche in Russland und Wettbetrug bei der WM.

Rafael Buschmann: Gleich nach der WM wird es ein echtes Wettbieten auf dem Transfermarkt geben
Foto: Ulrich Schaper

Münster. Rafael Buschmann ist einer der bedeutendsten Kritiker des Profifußballs geworden. Der 36 Jahre alte Münsteraner, der für das Nachrichtenmagazin Spiegel arbeitet, hat mit dem Enthüllungsbuch „Football-Leaks — Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball“ nicht nur die Bestseller-Listen gestürmt, sondern intime Details aus der Geldwelt des Fußballs offengelegt. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, die am 14. Juni beginnt, sprachen wir mit dem passionierten Handballspieler.

Ist die Weltmeisterschaft in Russland für die Spieler und Berater der Tanz um das goldene Kalb?

Rafael Buschmann: Ich denke, während der WM ist der Transfermarkt lahmgelegt, im Hintergrund die Verhandlungen vorbereitet, aber erst nach den Titelkämpfen werden exorbitant hohe Preise erzielt.

Fünf Spieler wurden bislang weltweit transferiert, bei denen die Ablösesumme über 100 Millionen Euro lag. Geht das so weiter?

Buschmann: Das wird spannend, in England schließt das Transferfenster diesmal bereits vier Wochen nach dem WM-Finale, danach können die Vereine keine Spieler mehr kaufen. In dieser Zeit könnte zwischen den sehr reichen Premier-League-Clubs ein echtes Wettbieten stattfinden, Transfers in der Größenordnung zwischen 80 und 120 Millionen Euro zur Folge haben könnte. Der Franzose Antoine Griezmann wird in dieser Größenordnung bereits gehandelt. Selbst ein Verteidiger wie Virgil van Dijk war aus dem Nichts über 80 Millionen Euro wert. Die Zeiten wie vor der Europameisterschaft 2016 sind vorbei, als sich Borussia Dortmund im Vorfeld mit mehreren talentierten Spielern wie Emre Mor oder Ousmane Dembele eingedeckt hat. Vorgezogene Transfers werden diesmal eher ausbleiben. Erst nach der WM winkt ein Riesenreibach.

Woher kommt das Geld für solche Wechsel?

Buschmann: In erster Linie von den Fans, die sich mit den TV-Abos eindecken. Sky, Eurosport, Dazn — das sind allein drei Player im deutschen Markt. In England stehen den Proficlubs über neun Milliarden Euro durch den TV-Vertrag zur Verfügung. Der andere Punkt ist, dass sich Staaten wie Katar, China oder Abu Dhabi als Player etablieren, die selbst einen Roman Abramowitsch (Eigner von Chelsea London) verdrängen. Katar stehen über 300 Milliarden Euro zur Verfügung. Aber keiner weiß, wie lange der Scheich bei Paris St. Germain das noch finanzieren wird. In Deutschland, auf niedrigerem Niveau, haben Clubs wie der Hamburger SV oder 1860 München erlebt, wie problematisch der Einfluss von Investoren sein kann, wenn ein Klub sich zu abhängig von ihnen macht.

Sie kennen aufgrund der Football-Leaks die Verträge von Lionel Messi (30/Argentinien/FC Barcelona d. Red.) und Cristiano Ronaldo (33/Portugal/Real Madrid d. Red.) detailgenau. Endet deren Zeit als Geldmaschinen mit dieser WM?

Buschmann: Beide sind auf den Zielgeraden ihrer europäischen Karrieren. Sie sind die Geldkönige im Augenblick, vielleicht reicht es noch zu einem großen europäischen Vertrag in ihrem Alter. Bei Ronaldo ist nach dieser Zeit klar eine Entwicklung in Richtung China zu erkennen. Im vergangenen Sommer war er dort auf PR-Tour. Sein Berater Jorge Mendes pflegt engste Kontakt zu chinesischen Investoren und der dortigen Liga.

Wer sind dann die heißesten Namen im Vorfeld?

Buschmann: Die großen Namen stehen alle im Schaufenster: Griezmann, Mohamed Salah (Ägypten/FC Liverpool d. Red) oder Eden Hazard (Belgien/Chelsea London). Aus Bundesliga-Sicht ist Robert Lewandowski sehr interessant, er hat seinen Wechselwillen ja verkündet. Auch der Stuttgarter Benjamin Pavard oder der Frankfurter Ante Rebic werden für die Top-Klubs vorspielen. Aber die großen Transfers erwarte ich eigentlichen bei den 22- bist 24-Jährigen. Darauf liegt der Fokus der Berater.

Im deutschen Team dürfte vor allem Angreifer Timo Werner vorgemerkt sein?

Buschmann: Natürlich. Beim Confed-Cup-Sieg der deutschen Mannschaft hat er bereits auf sich aufmerksam gemacht, die Premier-League-Clubs und auch Bayern München hatten da wohl schon Interesse. Aber da wäre auch noch Toni Kroos mit seinen 28 Jahren. Denn wenn Real Madrid den Umbruch plant, ist er im richtigen Alter für einen Wechsel, bei dem die Transfersumme zwischen 100 und 150 liegen dürfte.

Sie sind investigativer Journalist, haben viel Dreck in der Branche aufgewühlt. Fahren Sie mit Angst nach Russland und stehen Sie vor noch stärker verschlossenen Türen?

Buschmann: Persönlich versuche ich Angst auszublenden. Wenn ich über Wirtschaftskriminalität berichte, bewege ich mich immer in Bereichen, in denen ich Menschen auf die Füße trete. In Russland sind die Recherche-Bedingungen generell schwierig. Aber mittlerweile ist das mit den verschlossenen Türen oft auch eher andersrum. Man öffnet mir die Türen, weil man wissen will, was ich weiß. Unser Argument ist jetzt: Früher hatten wir eine Ahnung, jetzt haben wir die Belege, wir kennen viele der dunkelsten Geheimnisse. Die Erklärung der Gegenseite, dass das alle so machen, verfängt jetzt nicht mehr.

Verraten Sie uns, was Sie als Journalist bei der WM machen werden?

Buschmann: Über konkrete Recherchen darf ich nicht sprechen, aber ich werde in Russland viel reisen. Das wird die teuerste WM aller Zeiten, um jedes Stadionprojekt ranken sich Korruptionsvorwürfe. Bei, nennen wir sie schwache Mannschaften oder Underdogs, muss man genau hinschauen, wenn in der 91. Minute ein überraschendes Tor fällt, weltweiter Wettbetrug ist extrem groß geworden. Dann wird erstmals der Videobeweis genutzt, eine Kopfgeburt ohne Vorbereitung. Es gibt sehr viele Themen bei diesem Turnier.

Und wer wird Weltmeister?

Buschmann: Das interessiert mich, berührt mich aber nicht mehr. Ich werde mit einem Auge hinschauen.

Das war früher anders, da hat Sie das Spiel begeistert, oder?

Buschmann: Das Spiel begeistert mich immer noch, den Profibereich betrachte ich mittlerweile aber deutlich skeptischer.

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