Plötzlicher Herztod: DFB-Arzt startet Register

München (dpa) - Der Herzstillstand von Fußball-Profi Fabrice Muamba von den Bolton Wanderers bei einem Pokalspiel in England hat die Menschen wieder einmal weltweit aufgeschreckt. In Deutschland sterben jährlich über 100 000 Menschen an einem plötzlichen Herztod, einige Hundert trifft es beim Sport.

„Es ist doch eher selten“, sagte Tim Meyer, seit elf Jahren Mannschaftsarzt der deutschen Nationalelf, der Nachrichtenagentur dpa. Der Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes, der auch bei der Europameisterschaft im Sommer Philipp Lahm & Co. wieder als Internist betreuen wird, will den Ursachen trotzdem wissenschaftlich auf den Grund gehen. Dafür ist in Saarbrücken eine Online-Datenbank unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) eingerichtet worden.

„Wir versprechen uns von dem Register ein klares Urteil darüber, welche Ursachen es in Deutschland für den plötzlichen Herztod im Sport gibt“, erläuterte Meyer.

Über SCD-Deutschland (Sudden Cardiac Death) können Trainer, Athleten, Ärzte oder auch Zuschauer Todesfälle beim Sport melden. Über eine geschützte Seite gelangt man zu einem Fragebogen. Die Ursachen sollen erfasst und erforscht werden und helfen, die Prävention zu verbessern. „Wonach müssen wir suchen?“, laute die gegenwärtig nicht klar zu beantwortende Frage, sagte Meyer, der betont: „Uns geht es nicht primär um die Leistungssportler.“

Der Bezirksklassen-Fußballer sei „letztendlich genauso gefährdet“ wie die Bundesligastars, die Meyer auch bei der Nationalelf betreut. Die Unglücksfälle im Lichte der Weltöffentlichkeit erfahren aber eine besondere mediale Aufmerksamkeit. Der 23 Jahre alte Muamba war im März im Spiel gegen die Tottenham Hotspur auf dem Platz bewusstlos zusammengebrochen, überlebte wie durch ein Wunder. Nach Angaben seines Vereinsarztes Jonathan Tobin war Muamba 78 Minuten lang „in Wirklichkeit tot“ gewesen.

Der damals 28 Jahre alte Marc-Vivien Foé aus Kamerun war 2003 bei einem Spiel seiner Landesauswahl beim Confed-Cup an Herzversagen gestorben. Spaniens Nationalspieler Antonio Puerta vom FC Sevilla starb 22-jährig drei Tage nachdem er einen Herz-Kreislauf-Stillstand in einem Spiel erlitten hatte. Der deutsche Profi Axel Jüptner brach 1998 nach dem Training beim damaligen Zweitligisten Carls Zeiss Jena zusammen und starb einen Tag später. Als Ursache bei dem 28-Jährigen wurde eine Herzmuskelentzündung angegeben.

Den „Fall Foé“ hatte Professor Jiri Dvorak, Medizinischer Leiter der FIFA, als „Weckruf“ bezeichnet. Der Weltverband kündigte nun an, eine Untersuchung von Herzstillstand-Fällen durchführen zu wollen. Das Projekt solle im Mai auf einer Fachkonferenz auf den Weg gebracht werden. „Wir haben die Mannschaftsärzte aller Nationalteams aufgefordert, am Aufbau einer weltweiten Datenbank mitzuarbeiten. Darauf aufbauend können wir dann eine Analyse der Risikofaktoren vornehmen“, erklärte Dvorak in einer Mitteilung der FIFA.

Auch in anderen Sportarten gibt es Herztote. Handballspieler Sebastian Faißt starb als 20-Jähriger bei einem Spiel der deutschen U 21-Auswahl an Herzversagen. Das Risiko ist zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt, rund 90 Prozent der Betroffenen sind Männer.

Meyer war bei der Nationalmannschaft auch über Jahre direkt mit der Problematik konfrontiert. Der 43-malige Nationalspieler Gerald Asamoah, heute beim Zweitliga-Spitzenclub Greuther Fürth aktiv, lebt und spielt mit dem Risiko eines verdickten Herzmuskels.

Ein Defibrillator ist seit Asamoah bei jedem Profispiel in einem deutschen Stadion vorhanden. Überhaupt sei der Fußball „führend“ bei Vorsorge und Vorbeugung, betonte Meyer. Eine jährliche Ultraschalluntersuchung des Herzens ist Voraussetzung für jeden Profi der 1. und 2. Bundesliga, um die Spielberechtigung der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu erhalten.

Bis das Register der Sportmediziner in Saarbrücken konkrete Ergebnisse für Deutschland erbringen kann, wird es wohl dauern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man es in kürzerer Zeit als zwei, drei Jahren schafft. Einige hundert Fälle brauchen wir dafür schon“, schätzte Professor Meyer. Register in den USA und in Italien haben unterschiedliche Ergebnisse erbracht. In Amerika war eine krankhafte Verdickung des Herzmuskels die häufigste Todesursache, in Italien dagegen eine krankhafte Vergrößerung der rechten Herzkammer. Womöglich gebe es „länderspezifische Verteilungsmuster“, meinte Meyer - und in Deutschland damit womöglich „ein anderes Krankheitsbild“.

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