Platini: Fußball-Romantiker oder knallharter Geschäftsmann

Zürich (dpa) - Auf dem Fußball-Feld machte Michel Platini als genialer Dirigent der französischen Nationalmannschaft ganz selten grobe Fehler. Als Funktionär hat den UEFA-Chef die Fortune zuletzt verlassen.

Platini: Fußball-Romantiker oder knallharter Geschäftsmann
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Mit der 90-Tage-Sperre durch die FIFA-Ethikkommission droht dem 60-Jährigen nun das jähe Aus im Machtzirkel des von ihm geliebten wie geförderten Milliardengeschäfts. In einem verzweifelten Schachzug reichte Platini am Donnerstagvormittag noch die erforderlichen Unterlagen für eine Kandidatur zum FIFA-Chef am 26. Februar 2016 ein - wenige Stunden später wäre ihm das schon per Statuten untersagt gewesen.

„Dieses absichtliche Leck, das hinterhältig und unakzeptabel ist, ist ein Versuch meiner Reputation zu schaden“, wetterte er in einer Mitteilung über die schon vorab publik gewordene Sperre. Zeit gewinnen, und schnell die Vorwürfe aufklären - nur so kann Platini doch noch seine Karriere retten. Realistisch scheint eine Rückkehr des Franzosen oder gar der Aufstieg zum FIFA-Chef aber nicht mehr.

Doch Platini will offenbar mit aller Macht um die Macht kämpfen. Am Donnerstagabend kündigte er an, Einspruch gegen die Sanktion einzulegen. „Ich weise alle Anschuldigungen, die bloßer Anschein und erstaunlich vage sind, gegen mich zurück“, teilte der Franzose mit und sprach von sich als „lebenslangem Anhänger dieses Spiels“, dessen Kandidatur als FIFA-Präsident zerstört werden solle.

Im stillen Kämmerlein wird sich Platini oft genug geärgert haben, dass er seinen einzigen Förderer und heutigen Erzfeind wie Schicksalgenossen Joseph Blatter nicht zum Präsidentenduell im Mai herausgefordert hat. Im Lichte des Korruptionsskandals wäre ein Sieg vielleicht doch möglich gewesen. Seine Kandidatur der zweiten Chance durch den geplanten Rückzug Blatters im Februar 2016 hatte Platini nun gründlich geplant, rechtzeitig die Kontakte zu wichtigen Stimmenbeschaffern wie Scheich Ahmad al Fahad al Sabah intensiviert.

Von Platini war man als Spitzenfunktionär eigene Führungsstärke und Durchsetzungsvermögen gewohnt. In mittlerweile acht Jahren an der UEFA-Spitze hat er den europäischen Fußball mit maximalem Expansionsdrang zu ökonomischen Topwerten geführt. Krude wirkende Ideen, wie eine EM mit 24 Teams oder ein Pan-Europa-Turnier 2020 in 13 Ländern, setzte er - auch gegen verhaltenen deutschen Widerstand - ebenso durch wie die Nationenliga ab 2018.

Den Deutschen Fußball-Bund hatte er spätestens seit der Amtsübernahme von seinem Freund Wolfgang Niersbach als Präsidenten treu an seiner Seite. Unter dessen Vorgänger Theo Zwanziger war das Verhältnis noch lange bestenfalls höflich distanziert gewesen. Die Idee, Niersbach könne ihn im UEFA-Job beerben, fand auch der Franzose sicher charmant - allerdings nicht unter den nun gegebenen Bedingungen.

Großer moralischer Schwachpunkt war Platinis Unterstützung für Katar als WM-Gastgeber 2022. Es dürfe nicht „vergessen werden, dass er eine Schlüsselfigur des beschämendsten Moments in der Geschichte des Spiels war“, schrieb jüngst die britische Zeitung „Independent“. Zumindest einen faden Beigeschmack hatte der überraschende EM-Zuschlag an Polen und die Ukraine 2012 - wenige Monate nachdem der Franzose gerade durch die Stimmen osteuropäischer Verbände ins Amt gekommen war. Angebliche Korruptionsbelege konnte ein vermeintlicher Zeuge nie in der UEFA-Zentrale in Nyon präsentieren.

Gelegentlich wirkt der 60-Jährige ein wenig zu schnoddrig für die Welt der Fußball-Anzugträger - die Haare verwuschelt, das Hemd gerne aufgeknöpft oder die Krawatte sorglos gebunden, aber dafür mit einem schelmischen Lächeln ausgestattet und der Schlagfertigkeit, kritische Fragen mit liebenswertem Sarkasmus abzubügeln. Ein Romantiker und Visionär solle er sein, so das gängige Urteil - aber er war auch ein knallharter Geschäftsmann.

Zum Verhängnis wurde Platini nun ausgerechnet die alte Seilschaft mit Blatter. Zwei Millionen Franken bekam er von seinem alten Ziehvater 2011 - für Dienste um die Jahrtausendwende, als er dem Schweizer als Fußball-Spin-Doctor ins Amt verhalf. Die dubiose Zahlung interessierte zuerst die Schweizer Bundesanwaltschaft und nun auch die FIFA-Ethikhüter. Zumal Platini kurz nach Erhalt der späten Lohnzahlung beim UEFA-Kongress zur Stimmabgabe für Blatter warb.

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