Rainer Bonhof: Der Weltmeister mit dem falschen Pass wird 60

Mönchengladbach (dpa) - Wie es damals genau gelaufen ist, weiß Rainer Bonhof auch heute noch nicht. Nach der Vorrundenpleite gegen die DDR bei der Fußball-WM 1974 im eigenen Land war die Stimmung im Keller.

„Bundestrainer Helmut Schön war als gebürtiger Dresdner sehr enttäuscht. Ich habe dann am Abend vor dem Spiel gegen Jugoslawien erfahren, dass ich spielen soll. Ich denke, er war so schlau und hat sich mit dem Mannschaftsrat beraten“, erinnert sich der heutige Vizepräsident von Borussia Mönchengladbach im Rückblick an seinen Karrierestart.

Mit Bonhof kam die Wende bei der WM und am Ende stand er als jüngster Weltmeister auf dem Podest. Und daran hatte er großen Anteil. Beim unvergesslichen 4:2 in der Zwischenrunde gegen Schweden erzielte er ein „Billardtor“ und im Finale gab er die Vorlage zum 2:1-Siegtreffer gegen die Niederlande. Das war der Beginn einer großen Karriere mit kuriosen Höhepunkten. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können.

Vor seinem 60. Geburtstag am 29. März ließ der Spieler mit dem knallharten Schuss und dem großen Kämpferherzen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa seine Karriere noch einmal Revue passieren. Mit 16, 17 Jahren wurde der DFB auf ihn aufmerksam und wollte den gebürtigen Emmericher für die Junioren-Auswahl. Doch Bonhof hatte einen holländischen Pass. „Das gab es damals häufig im Grenzgebiet, dass Menschen auf der anderen Seite mit anderem Pass lebten. So war das auch mit meinen Großeltern und Ur-Großeltern. Mir war das gar nicht so bewusst“, meinte Bonhof.

Und so kam es, dass der junge Fußballer mit holländischem Pass 1969 in Holland für Deutschland gegen Holland sein Debüt in der Juniorenelf des DFB gab. Erst im März 1970 wurde Bonhof Deutscher. „Noch vor zehn Jahren hat ein holländischer Fernsehsender dazu eine Story gemacht und wollte vom DFB ein offizielles Statement.“

Auch der damalige Gladbacher Trainer Hennes Weisweiler, der mit seiner legendären „Fohlen-Elf“ in die Fußball-Geschichte einging, wurde schnell auf den jungen Fußballer aufmerksam. Schon in jungen Jahren hatte Bonhof mehrere Angebot aus der Bundesliga und entschied sich schnell für Borussia. „Ausschlaggebend war, dass Hennes Weisweiler mit mir arbeiten wollte“, meinte Bonhof und erinnert sich an die gemütliche Atmosphäre bei den Gesprächen und den leckeren Kuchen aus dem nahen Café Wolschke. „Da war der Bann gebrochen.“

Der Fußball hat ihm viel gegeben: Eine ruhmreiche Karriere, später als Trainer und Assistent Engagements im Ausland. „Dabei bin ich immer gefunden worden, ich habe eigentlich nie speziell etwas gesucht“, meinte Bonhof. Eine wichtige Rolle spielte auch die Beziehung zu Berti Vogts. „Wir waren sieben Jahre bei der Borussia und der Nationalmannschaft auf einem Zimmer. Man kannte sich in - und auswendig.“

Nach seinem viel zu frühen Karriereende mit 31 Jahren holte Vogts ihn als Co-Trainer zur Nationalmannschaft. Später folgten Jobs in Kuwait und Schottland, zuvor hatte er als Aktiver noch beim FC Valencia angeheuert. „Das war schon eine geile Zeit mit Berti“, meinte Bonhof. Vor einigen Jahren ist er dann wieder in Gladbach gelandet. Diesmal als Präsidiumsmitglied. Die derzeitige Euphorie um seinen Club ordnet Bonhof realistisch ein. „Es gibt so einen Slogan aus dem Film Top-Gun: Im Moment sieht s gut aus, aber ich weiß nicht, wie es zu Ende geht.“

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