Leitwolf Ribéry und die jungen Wilden

Paris (dpa) - Vom verschrienen Rotzbengel zum gefeierten Leitwolf - Franck Ribéry hat im neugeformten französischen Fußball-Nationalteam eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht.

Mit bald 30 Jahren ist der Bayern-Star zu einer Art „Erzieher“ der vielen neuen, oft jungen und international unerfahrenen Profis avanciert. Die Erneuerung der Équipe sei nach den vielen Krisenjahren eine „schöne Sache“, schwärmte Ribéry vor dem Testspiel der „Bleus“ gegen Deutschland in Paris. Vielleicht auch als Warnung an seine Clubkollegen um Thomas Müller und Manuel Neuer stellte er zudem fest: „Man spürt, dass die Maschine wieder in Gang kommt“.

Vergessen scheinen alle Skandale, Intrigen und auch die Disziplinlosigkeiten, die den Weltmeister von 1998 bei den drei vergangenen großen Turnieren erschüttert und sportlich ausgebremst hatten. Daheim wurde Ribéry ja als einer der Anführer des berüchtigten Trainingsstreiks der WM 2010 in Südafrika scharf kritisiert. Im Gespräch mit der Sportzeitung „L'Équipe“ räumte der Flügelflitzer nun „Fehler“ ein, blickte aber nach vorne. „Ich bin seit eineinhalb Jahren in Topform. Die WM 2014 in Brasilien ist vielleicht meine letzte. Ich will ein gutes Turnier spielen und die 100 Länderspiele erreichen.“

Der Mann, der bisher bei 70 Spielen im „Tricolore-Trikot“ elfmal traf, kann bei seinen Plänen auf die Hilfe der „jungen Wilden“ in der französischen Mannschaft zählen. Er sei vor allem von Mittelfeldmann Blaise Matuidi beeindruckt, sagte Ribéry. Der Profi von Paris SG ist zwar „schon“ 25, wurde aber erst vor kurzem entdeckt und kommt bisher auf nur neun Länderspiele. Neben Matuidi zählt der neue Coach, Disziplinfanatiker Didier Deschamps, auf junge oder international unerfahrene Spieler wie die Innenverteidiger Mamadou Sakho (PSG/22 Jahre/elf Länderspiele) und Mapou Yanga-Mbiwa (Newcastle/23/3) oder die Mittelfeldspieler Romain Alessandrini (Stade Rennes/23/0), Étienne Capoue (Toulouse/24/4) und Moussa Sissokho (Newcastle/23/6).

Mit diesen Talenten schaffte Frankreich die jüngsten Prestige-Erfolge: Ein 1:1 bei Weltmeister Spanien in der WM-Qualifikation und den 2:1-Auswärtssieg über Italien. In der „Hinterhand“ hat Deschamps (44) zudem Supertalente wie die beiden 19-Jährigen Raphael Varane und Paul Pogba, die bereits bei Spitzenclubs wie Real Madrid und Juventus Turin für Aufsehen sorgen. Varane sollte eigentlich gegen das DFB-Team sein Debüt feiern, musste aber verletzt absagen. Pogba galt bei französischen Medien nach mehreren spektakulären Toren als „Nummer sicher“, wurde aber nur für die U-21 berufen. „Pogbas Zeit kommt noch, er repräsentiert die Zukunft“, sagte der Coach.

Die Reaktion des Juventus-Profis zeigt die „neue Bescheidenheit“ in der Équipe, aus der Supertalente wie Yann M'Vila oder Samir Nasri vorerst aussortiert wurden, weil sie arrogant auftraten und Unruhe stifteten. „Deschamps will nicht, dass ich überheblich werde“, sagte Pogba. In Demut übt sich auch Stürmer Olivier Giroud, der vor einem Jahr in Bremen den 2:1-Siegtreffer gegen Deutschland erzielte. „Ich bin Ersatzmann von Karim Benzema, es gibt hier eine Hierarchie.“ Und auch Alessandrini, der lange Jahre in der dritten Liga spielte, bevor er im Sommer nach Rennes wechselte und schon nach nur 20 Liga-Spielen und acht Toren ins Nationalteam berufen wurde, zeigt sich lernbegierig: „Das ist ein Traum. Ich will mir bei Ribéry Ratschläge holen“, freute sich der 1,73-Meter-Filigrantechniker.

Ribéry blüht unterdessen in seiner neuen Rolle auf. „Deschamps will, dass ich der Anführer bin. Und ich merke, dass meine Präsenz wichtig ist, vor allem für die Jungen“, sagte der Mann, der vor dem Duell im Stade de France gegen „seine“ Deutschen („Meine siebenjährige Tochter spricht Deutsch, mein kleiner Sohn ist in München geboren“) auch vom Gegner mit Lob überhäuft wurde. „Er ist eine Bombe. Ich hatte selten einen Team-Kollegen mit solcher Spielqualität“, sagte etwa Ex-Bayern-Profi Miroslav Klose (Lazio Rom) dem Magazin „France Football“. Und auch Bundestrainer Joachim Löw geriet im Interview der Zeitung „Le Parisien“ ins Schwärmen: „Ribéry, was für ein Spieler! Er ist einer der besten der Welt“.

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