Genervter Löw sucht Lahm-Klon

Dublin (dpa) - Wenn Joachim Löw seinen Kapitän Philipp Lahm klonen könnte, hätte es der Bundestrainer schon längst getan. Seit Beginn seiner Amtszeit nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fahndet Löw auf den Außenverteidiger-Posten nach einem passenden Gegenstück zur einzigen Fixgröße Lahm.

Den Kapitän hat er in der Nationalmannschaft schon mehrfach von links nach rechts und wieder zurück verschoben - teilweise sogar mitten in einem Turnier.

Lahms Sperre im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland machte den Notstand in der DFB-Auswahl noch sichtbarer. Der Bundestrainer äußerte sich in Dublin vor der Partie fast schon resignierend zu der unerfreulichen Außenverteidiger-Situation: „Ich kann sie mir im Moment auch nicht schnitzen.“

Die Nachnominierung des Abwehr-Allrounders Heiko Westermann warf ein Schlaglicht auf den Mangel an Spezialisten. Der HSV-Kapitän, der fast zwei Jahre nicht mehr zur DFB-Auswahl gehört hatte, kann nicht nur innen verteidigen, sondern eben auch außen aushelfen. Rechts und links hat 29-Jährige in der Nationalelf bereits verteidigt. „In der Bundesliga gibt es in der Tat auf den Außenverteidiger-Positionen ganz wenige Alternativen“, klagte Löw. Dabei ist die Not links noch größer als rechts, wo Lahm wie beim FC Bayern derzeit spielt.

In den 86 Länderspielen bis zur Irland-Partie hat Löw viel probiert. Rechts durften sich 13 Männer versuchen. Viele sind schnell gescheitert wie Gonzalo Castro, Roberto Hilbert, Andreas Hinkel, Clemens Fritz, Sascha Riether, Andreas Beck oder Christian Träsch.

Nicht anders links, wo sich elf teilweise längst vergessene Akteure wie Malik Fathi, Thomas Hitzlsperger, Christian Pander, Marvin Compper, Marcell Jansen, Marcel Schäfer oder Dennis Aogo erfolglos auf dem höchsten internationalen Niveau abmühten.

Aktueller Proband ist Marcel Schmelzer. Löw hörte sich in Dublin vor dem Spiel gegen die Iren allerdings nicht so an, als wenn er in dem zweimaligen deutschen Meister von Borussia Dortmund tatsächlich den Erlöser sieht. Vielmehr betonte der Bundestrainer am Tag vor dem Spiel in der Pressekonferenz nochmals, dass Schmelzer „zuletzt in Österreich kein gutes Spiel gemacht“ habe. Zuspruch klingt anders.

Dem 23-Jährigen schenkt Löw mehr notgedrungen auch weiterhin das Vertrauen: „Viel mehr Alternativen gibt es links im Moment nicht die nächsten ein, zwei, drei, vier, fünf Monate“, sagte er: „Also müssen wir mit Marcel Schmelzer weiterarbeiten, das werden wir auch machen.“

Die Aussagen sorgten für Wirbel. In einer DFB-Mitteilung wollte Löw die Äußerungen über Schmelzer klarstellen. Er habe „nach wie vor großes Vertrauen“ in den Linksverteidiger, versicherte er. Das habe er dem Spieler „auch nochmal in einem persönlichen Gespräch so mitgeteilt“.

Geduld ist gefragt - auch wenn es Löw schwerfällt. Weil auch in den Junioren-Mannschaften des DFB kein Lahm-Clon zu entdecken ist, mag der Bundestrainer kein zeitliches Ende „der Problematik“ vorauszusagen. „Man muss den Spielern auch Zeit geben, um sie international an dieses Tempo, diese Schnelligkeit, diese Dynamik, diese Drucksituationen zu gewöhnen“, schilderte er in Dublin.

Innenverteidiger wie die Münchner Jérome Boateng und Holger Badstuber oder der Schalker Benedikt Höwedes werden wohl auch in Zukunft immer mal wieder außen aushelfen müssen. Und Löw wird sich insgeheim wohl einen neuen Arne Friedrich herbeisehnen. Der 82-malige Nationalspieler, der seine Karriere aktuell in Nordamerika ausklingen lässt, musste jahrelang im Nationaltrikot als rechter Verteidiger viel öffentliche Kritik einstecken. Dabei war Friedrich in all den gemeinsamen Länderspieljahren das beste Gegenstück zu Lahm.

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