EM-Lose im Sowjetbau - Löw: Achtung vor Gastgebern

Kiew (dpa) - Fußball-Europa schaut gespannt nach Kiew, Joachim Löw sieht die Auslosung vor allem als Arbeitsgrundlage für die weitere Verfeinerung seines EM-Titelplans.

Wenn Deutschland am Freitag im Kunstpalast „Ukraina“ als eines der letzten vier Teams in eine von vier Europameisterschafts-Gruppen gelost wird, denkt ein sich entspannt gebender Fußball-Bundestrainer schon an die folgenden Aufgaben. „Dann können wir die sportlichen Planungen für die Vorrunde konkreter angehen, die letzten organisatorischen Vorbereitungen treffen“, sagte Löw, der am Auslosungstag mit der siebenköpfigen DFB-Delegation erst zur Mittagszeit in Kiew einschwebt.

Um 18.00 Uhr MEZ beginnt in der ukrainischen Hauptstadt die Zeremonie, die von 70 TV-Stationen übertragen wird und nicht nur in der Ukraine und Polen die Vorfreude auf das Fußball-Spektakel im kommenden Sommer verstärken dürfte. Obwohl dem Löw-Team nach einer makellosen Qualifikation eine Hammergruppe droht, da Deutschland nach einer komplizierten Setzliste nur in Lostopf zwei eingeordnet wurde, gibt sich der Bundestrainer entspannt: „Ich lasse mich einfach überraschen.“ Die Lose hätten laut Löw, der am Samstagnachmittag schon wieder in Deutschland sein will, ohnehin „keinen großen Einfluss auf das Turnier“, würden nur den Masterplan auf den EM-Start am 8. Juni 2012 konkretisieren.

Die schwarz-rot-goldenen Fans an den heimischen TV-Geräten werden bei der einstündigen Auslosung mit am längsten warten müssen, bevor die drei Gegner, Termine und Spielorte der deutschen Nationalelf für die EM-Vorrunde feststehen. Denn die Kugeln aus Topf zwei und damit auch Deutschland werden bei der von UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino geleiteten Prozedur im Kiewer Kunstpalast, einem typisch sozialistischen Prunkbau aus Sowjetzeiten, zuletzt geöffnet.

Am liebsten wäre der deutschen Anhängerschaft sicher die Gruppe A, in der Polen als Gastgeber gesetzt ist. Dann könnte das Löw-Team alle Vorrundenspiele und ein mögliches Viertelfinale in Polen bestreiten. Auch die Vorrunden-Gruppe C würde zunächst drei Spiele beim Nachbarn garantieren. Eines davon sogar in Danzig, wo der DFB-Tross in der gesamten EM-Zeit sein Hauptquartier aufschlagen wird. Mit den Gruppen B und D dagegen wären aufwendige Vorrundenreisen in ukrainische Stadien verbunden. Von Danzig etwa nach Donezk wären die Fans mit dem Bus 25 Stunden unterwegs.

Klares Ziel der deutschen Mannschaft, die schon seit 1996 keinen EM- oder WM-Titel mehr gewinnen konnte, ist das Finale am 1. Juli 2012 im Auslosungsort Kiew. „Ich warne aber davor anzunehmen, dass es nur um Spanien, Holland und Deutschland geht“, erklärte Teammanager Oliver Bierhoff zur Favoritenfrage. Wie auch Löw erweiterte der einstige DFB-Kapitän den Kreis der Titelanwärter beim 14. europäischen Championat noch um Italien, England und Frankreich. Der dreimalige Europameister Deutschland (1972, 1980 und 1996) könnte in der Vorrunde aber auch auf die Außenseiter Polen oder Ukraine, Griechenland oder Schweden und Dänemark oder Irland treffen.

Wobei Löw ausdrücklich vor den beiden Gastgebern warnt: „Durch die Begeisterung im eigenen Land und die Unterstützung in den Stadien sind sie sicher besonders motiviert. Da werden alle Zuschauer unglaublich hitzig sein, das ist sehr motivierend.“ Jüngst beim 2:2 in Polen und dem 3:3 in der Ukraine bekamen Lukas Podolski & Co. das schon zu spüren. „Die Gastgeber sind sicher zu einer Überraschung fähig. Man darf sie nicht unterschätzen“, betonte Löw.

Schon am Auslosungsabend mit rund 1200 geladenen Gästen wird es auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz Maidan eine Open-Air-Feier für die Kiewer Bevölkerung geben. Auf einer riesengroßen Leinwand an der Fassade des Gewerkschaftshauses wird die von den nationalen TV-Größen Olga Freimut und Piotr Sobczynski moderierte Veranstaltung aus dem Kunstpalast übertragen - und trotz der winterlichen Temperaturen soll schon ein mal ein bisschen Fan-Meilen-Stimmung aufkommen. Im EM-Sommer werden dann an den Spieltagen bis zu 70 000 Besucher in der Fan-Zone erwartet, die einen Großteil der Altstadt umfasst.

Der Respekt vor Löw und seiner zuletzt oft glänzenden Mannschaft ist schon vor der Endrunden-Auslosung bei den EM-Gastgebern gewaltig. „Die Deutschen sind eines der besten Teams weltweit“, erklärte der ukrainische Superstar Andrej Schewtschenko: „Alle elf Spieler sind untereinander perfekt vernetzt und hervorragend organisiert.“ Und die auflagenstarke Zeitung „Sport Express“ schrieb über Löw: „Wie ein Chirurg vor einer lebenswichtigen Operation“ würde der deutsche Chefcoach „jeden Schritt bis ins kleinste Detail durchplanen“. Genau das wird der Bundestrainer auch nach der Auslosung weiter tun: „Du musst dich auf alle 15 Mannschaften umfassend vorbereiten.“

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