Rösler: „Ich seh' mich schon mehr als Engländer“

London (dpa) - Ab und zu trifft Uwe Rösler seinen Kumpel Dietmar Hamann im Pub. „Didi lebt ja auch in Manchester, man kennt sich gut“, sagt Rösler in einem Gespräch der Nachrichtenagentur dpa.

Beide sind Ex-Manchester-City-Profis und nach ihren Karrieren nun in England zu Hause, beide gehören jetzt zum Fußball-Establishment auf der Insel. Hamann als TV-Experte und beliebter Rate-Gast im BBC-Sport-Quiz, Rösler als aufstrebender Erfolgstrainer des kultigen Drittligisten FC Brentford - und er sagt: „Ich seh' mich schon mehr als Engländer als als Deutscher.“

In Brentford im Westen Londons kickte einst Rod Stewart vor seiner Sänger-Laufbahn. Der Verein rühmt sich auch des einzigen Vier-Eckkneipen-Stadions Englands. Im „Griffin Pub“, vor rund 100 Jahren noch die Club-Umkleide, lehnt Besitzer Ralph (69) an der Theke und schenkt Glühwein aus. Robbie Williams sei neulich zum Fußballschauen reingeschneit. „Da auf der roten Plüschbank saß er - mit einer Frau.“ Und Elijah Wood habe in der Kneipe einen Film abgedreht, auf Fotos posiert er neben Ralph. Der „größte Star in Brentford“ sei aber der Trainer: „Juwi“, meint Ralph. „Er hat den Erfolg nach Brentford zurückgebracht.“

Die „Bees“ (Bienen), die Rösler seit Sommer 2011 betreut, stehen in der dritten FA-Cup-Runde und sind als Tabellen-Dritter bei einer absolvierten Partie weniger heißer Aufstiegskandidat. Das 3:1 bei Colchester United am „Boxing Day“ war der fünfte Ligasieg in Serie für Röslers „rot-weiße Armee“. Beim familiären FC Brentford schwärmen sie alle von ihrem „German“. „Ein Gentleman-Coach“, meint David, der Fanartikel-Verkäufer im „Bees Superstore“. Auf der Geschäftsstelle sagt einer, dass Rösler an jedem Arbeitstag jedem Mitarbeiter die Hand schüttele: „Er nimmt sich viel Zeit für alle.“

Rösler mag die Atmosphäre in dem 1889 gegründeten Traditionsclub. „Wir wissen um unsere Verantwortung für die Community. Wir hatten kürzlich ein Heimspiel unter dem Motto 'Pay what you can'. Wir leben in einer Rezession, das Geld ist eh knapp über Weihnachten“, meint der 44-Jährige und bereitet dabei im rustikalen Clubhaus am Trainingsgelände zweimal löslichen Kaffee in „Bees“-Bechern zu. „Viele Leute haben ein bisschen genug von der Premier League und wollen zurück zu den Wurzeln. Da sind wir in Brentford eine gute Nische mit unserem 'old-fashioned Stadion' Griffin Park.“

Aber wenn er irgendwann die Wahl hätte: Erster deutscher Coach in der Premier League oder Bundesliga-Trainer? „Ganz klar: Die Premier League ist für mich die beste Liga der Welt!“ Und er nennt sich „life-long supporter“ ManCitys. Für den Verein erzielte er 50 Tore zwischen 1994 und 1998. Zu großen Champions-League-Partien und Fan-Foren laden die Citizens ihren Kult-Stürmer als Repräsentanten ein. In Manchester laufen heutzutage junge Männer herum, die nach ihm den Namen „Uwe“ verpasst bekamen. Und Collin Rösler (12), der jüngere der zwei Söhne, ist Mittelfeldspieler in der City-Akademie.

Die Familie ist multikulti. Röslers Frau Cecilia kommt aus Norwegen. Lillestrøm SK war Röslers letzte Station als Spieler, ehe 2003 bei ihm Lymphknotenkrebs entdeckt wurde. „Meine Überlebenschance lag bei fünf Prozent, aber das hat mir meine Frau erst später gesagt“, erzählt der Kämpfer auf dem Platz und im Leben. Nach der Genesung folgten in Norwegen die ersten Trainerstationen: Lillestrøm (2005-2006), Viking FK (2006-2009) und Molde FK (2010).

Ob er das Leben nach seinem überstandenen Krebs heute besonders genieße? Nein, weil er vor lauter Arbeit und positivem Stress nicht zum Nachdenken komme. „Naja, doch, ich erlebe seither die Zeit mit der Familie intensiver“, sagt Rösler, der in Ealing in West-London ein Appartement hat und nach Manchester zu seiner Familie pendelt.

Der sechsfache DDR-Nationalspieler versichert am Ende des Gesprächs, dass er stolz sei auf seinen deutschen Pass. Besonderen Anteil nimmt er am Schicksal seiner Heimatstadt: „Ich bin ein Leipziger, der die RB-Sache unterstützt. Da will und wird jemand Bundesliga-Fußball nach Leipzig bringen. Der Trainerposten dort wäre ein Traum.“

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