Doppel-Pass: Moskau lockt „sowjetische“ Fußballer

Moskau (dpa) - Talentförderung wird im deutschen Fußball großgeschrieben, und genau davon möchte Russland zur WM 2018 profitieren.

Mit lautem Ruf lockt der Fußballverband in Moskau (RFS) derzeit die in der Sowjetunion geborenen Bundesliga-Talente Konstantin Rausch (Hannover 96) und Andreas Wolf (1.FC Nürnberg) in die Nationalmannschaft des WM-Gastgebers 2018. Auch an Alexander Merkel vom AC Mailand habe Nationaltrainer Dick Advocaat Gefallen gefunden, berichteten russische Medien vor kurzem. Von den möglichen, vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gut geschulten, Zugängen erhofft sich der Holländer neue Impulse für die Sbornaja.

Advocaat hat einen Traum. Nur zu gerne würde es der 63-Jährige in Russland so machen wie einst in seiner Heimat: Damals hatte Advocaat als Coach der Holländer immer wieder auch auf starke Talente gesetzt, deren Vorfahren aus ehemaligen niederländischen Kolonien wie Surinam stammten. Mit einem solchen „Mix“ habe er gute Erfahrungen gemacht. Allerdings ist der Bundesligaspieler, der Advocaat angeblich am meisten beeindruckt hat, bereits vergeben. Der 1987 in Russland geborene Andreas Beck (1899 Hoffenheim) hat sich für Deutschland entschieden. An anderen Talenten sind Scouts aus Moskau aber dran.

Ob deutsche Autoteile, Chemieprodukte oder Nahrung: Aus keinem anderen Land importiert Russland mehr. Nun sollen nach Willen des RFS Fußballer mit zwei Pässen dazukommen, die auf dem Trikot aber den Doppeladler statt des Bundesadlers tragen. Der 1982 in der damaligen Sowjetrepublik Tadschikistan geborene Wolf habe bereits Bereitschaft signalisiert, heißt es in Moskau. Dagegen sei der 1990 in Russland geborene Rausch noch unentschieden. Allerdings war Rauschs Club Hannover 96 von einem angeblichen Interesse aus Russland vor einigen Wochen nichts bekannt. Rausch ist aktueller deutscher U21- Nationalspieler und durchlief zuvor auch die deutsche U17 und U19.

Mit Argusaugen verfolgt man in Moskau auch die Karriere von Alexander Merkel. Vor zwei Jahren wechselte der Mittelfeldspieler vom VfB Stuttgart zum AC Mailand. Einen Anruf aus Moskau hat der 18- Jährige allerdings noch nicht erhalten. Dies sei nicht verwunderlich, erinnerte die russische Staatsagentur Ria Nowosti unlängst: Merkel sei Staatsbürger von Deutschland und von seinem Geburtsland Kasachstan, nicht aber von Russland. Seine Vorfahren waren seinerzeit jedoch aus Deutschland nach Russland umgezogen, seine Urgroßeltern kamen bereits in Russland zur Welt.

„Wir sind Russen“, betont Alexanders Vater Wassili Merkel. Nach Kasachstan sei die Familie lediglich auf Weisung von Sowjetdiktator Stalin umgezogen. „Alexander wurde nur Kasache, weil die Sowjetunion zwei Monate vor seiner Geburt zerfiel“, unterstreicht Wassili Merkel. „Wir sind aber Russen. Deshalb will er auch für die russische Nationalelf spielen“, behauptet der Vater. Die Familie war 1998, als Alexander sechs Jahre alt war, nach Deutschland gezogen.

Nach Einsätzen in der deutschen U19-Auswahl sagte Alexander Merkel vor kurzem, er träume „wie jeder kleine Junge“ davon, eines Tages in der Nationalmannschaft zu spielen. Trotz eines starken russischen Kaders hofft Advocaat, dass dies seine Mannschaft sein wird - und nicht das Team von DFB-Coach Joachim Löw.

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