Brasilianisch Talente: Generation Heimschläfer

5000 brasilianische Fußballer spielen im Ausland. Da die heimischen Vereine aber immer reicher werden, bleiben viele Stars nun zu Hause. Prominentester Fall ist Neymar.

Düsseldorf. Gewöhnlich gilt das Interesse von Real Madrid oder dem FC Barcelona als Ritterschlag im internationalen Fußball. Wer bei einem der Schwergewichte des spanischen Fußballs auf dem Zettel steht, hat es geschafft — sportlich sowie finanziell. Doch einen, den sie sowohl in Madrid als auch Barcelona lieber heute als morgen im Kader sehen würden, zieht derzeit so gar nichts nach Spanien: den brasilianischen Jungstar Neymar.

Der 20-Jährige ist das aktuell größte Talent vom Zuckerhut. Beim FC Santos, für den einst Pelé die Schuhe schnürte, lief der Offensiv-Allrounder bereits im Alter von 17 auf und hat in bislang 158 Spielen beeindruckende 81 Mal getroffen. Logisch, dass Real und Barca, aber auch der FC Chelsea und das neureiche Paris St. Germain versuchen, ihn zu locken. Sie alle wären sofort bereit, mehr als 50 Millionen Euro für die Dienste des Jungstars zu zahlen. Doch wann es so weit ist, steht in den Sternen.

Denn anstatt den üblichen Weg eines der 5000 brasilianischen Fußballprofis zu gehen und — zum Leidwesen der heimischen Fans — in die finanzstarken Ligen Europas und Asiens zu wechseln, fühlt sich Neymar zu Hause am wohlsten. „Mein Vertrag läuft bis 2014, und meine Absicht ist es, den Kontrakt zu erfüllen.“

Neymars Geschichte ist der Höhepunkt einer auf den zweiten Blick gar nicht so erstaunlichen Entwicklung. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits millionenschwere Exil-Brasilianer wie Ronaldinho (früher bei Barcelona und Milan), Adriano (Inter), Deco (Barcelona, Chelsea) und im Januar erst Vagner Love (ZSKA Moskau) zurück in die Heimat gingen, geht ein Jungstar wie Neymar gar nicht erst weg.

Das liegt bei weitem nicht nur an der WM 2014 im eigenen Land. Die brasilianischen Topklubs können mittlerweile finanziell mit den Europäern mithalten. Wie das ganze Land — das rund 20 Jahre nach der Hyperinflation boomt und einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der Vereinen Nationen fordert — befinden sich auch die Fußballklubs aus Rio de Janeiro, Sao Paulo und Porto Alegre im Aufschwung.

Millionengehälter zu zahlen, ist für Santos, Corinthians, Fluminense oder Flamengo längst kein Problem mehr. „Die Zeiten sind vorbei, in denen die Europäer glaubten, dass ihnen die Welt gehöre“, ist sich Santos-Präsident Luis Alvaro de Oliveira Ribeiro sicher und klingt dabei, als wolle er sagen: „Pech für euch. Jetzt sind wir auch mal dran.“

So gibt es derzeit drei Generationen unter Brasiliens Weltklasse-Fußballern. Die Routiniers, die für ihren letzten großen Vertrag zurückkehren. Die im mittleren Alter wie Dani Alvez (28/Barcelona) und Kaká (29/Madrid), die nach wie vor in Europa spielen. Und die heute um die 20-Jährigen, die in der Heimat bleiben. Neben Neymar gilt das auch für die Talente Ganso (22/ebenfalls von Santos) — für den Milan und Paris bereits 25 Millionen Euro geboten haben sollen — und Leandro Damião (22/Internacional). Die Signale sind eindeutig — und kommen an: Der FC Bayern hat sein Scoutingsystem in Brasilien im Dezember offiziell eingestellt.

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