Benitez rechnet mit Chelsea ab - Abschied im Sommer

London (dpa) - Es war eine bemerkenswerte Abrechnung mit Club-Besitzer Roman Abramowitsch, die sich Rafael Benitez da leistete: „Es war ein massiver Fehler, mich als Interimstrainer zu bezeichnen“, sagte der Chelsea-Trainer nach dem 2:0 im englischen Pokal gegen den FC Middlesbrough.

Dann verkündete er trotzig seinen Abschied im Sommer. „Ich bin ein Profi und werde meinen Job machen. Am Ende der Saison werde ich gehen“, ergänzte er, und zog einen persönlichen Schlussstrich unter ein großes Missverständnis: sein Engagement an der Stamford Bridge. Keine 100 Tage beim englischen Spitzenclub auf der Bank, riskiert Benitez mit seinen ungewöhnlichen Aussagen das Erreichen der Saison-Minimalziele und provoziert wohl seinen vorzeitigen Abschied aus London. Im Pokal steht das Spitzentreffen im Viertelfinale gegen Manchester United am 10. März an. In der Europa League steht das Team nach dem Champions-League-Aus im Achtelfinale, in der Premier-League kämpft die Mannschaft als derzeitiger Vierter mit den Londoner Nachbarn Tottenham und Arsenal um die direkte Qualifikation für die Königsklasse.

Der Verein reagierte zunächst nicht auf die Rede des 52 Jahre alten Spaniers. „It`s business as usual“, sagte ein Sprecher am Donnerstag - alles wie immer. Abramowitsch dürfte sich die Kommentare seines Coaches aber kaum gefallen lassen. Bislang galt der Kontrakt ohnehin nur bis zum Saisonende.

Zum Verhängnis könnte Benitez auch das von Anfang an schwierige Verhältnis mit den Fans des Londoner Clubs werden. „Wir wollen dich nicht, Benitez“, gab das Boulevardblatt „The Mirror“ schon an Benitez' erstem Arbeitstag in Anlehnung an Proteste im Internet die Meinung vieler Anhänger wieder. Auch am Mittwochabend sangen Fans wieder „we don't care about Rafa.“ Benitez konterte, sie sollten lieber das Team unterstützen.

Die Antipathie reicht noch in Benitez' erfolgreiche Zeit beim FC Liverpool von 2004 bis 2010 zurück. 2005 feierte er mit dem Champions-League-Titel seinen größten Erfolg - nach zwei giftigen Halbfinal-Duellen gegen den FC Chelsea mit dem damaligen Star-Trainer José Mourinho. Seitdem hat er an der Stamford Bridge wenige Freunde. Als zusätzliche Hypothek kam für ihn hinzu, dass er den beliebten Roberto di Matteo auf dem Trainerposten ablöste - gerade einmal 186 Tage nachdem der dem FC Chelsea den langersehnten Titel in der Königsklasse beschert hatte.

Die sportliche Bilanz des FC Chelsea seit dem Dienstantritt von Benitez im November ist durchwachsen. In sämtlichen Wettbewerben konnte die Mannschaft lediglich 14 von 27 Spielen gewinnen. Benitez warb um Verständnis: „Das Team ist im Umbruch. Früher hatten wir Spieler wie Drogba, Essien, Kalou - Spieler mit viel Erfahrung. Jetzt haben wir etliche talentierte Spieler, aber sie brauchen Zeit.“

Teile der englischen Presse sahen die Zusammenarbeit am Donnerstag allerdings schon vor dem Aus: „Er wird die nächsten 24 Stunden bestimmt nicht überstehen“, schrieb „The Mirror“. Und die kostenlose Tageszeitung „London Evening Standard“ spekulierte, Benitez werde nur noch am Samstag gegen West Bromwich Albion auf der Bank sitzen. Ex-Trainer Avram Grant könnte ihn danach bis zum Saisonende ablösen.

Rückendeckung erhielt Benitez von Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann, der beim Champions-League-Sieg 2005 zu den Matchwinnern bei Liverpool gehörte: „Er hat Chelsea mit schwächeren Teams geschlagen, er hätte mit offenen Armen empfangen werden müssen. Er verdient viel mehr Respekt, hat aber nie eine faire Chance bekommen“, twitterte der 39-Jährige.

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