Ära Zidane beginnt - „Legende ohne Erfahrung“

Madrid (dpa) - Kaum hatte Zinédine Zidane als neuer Cheftrainer von Real Madrid den Rasen betreten, waren alle Augen der rund 6000 Fans auf den Ex-Weltstar gerichtet.

Ära Zidane beginnt - „Legende ohne Erfahrung“
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Und auch die Stars um Cristiano Ronaldo und Weltmeister Toni Kroos hörten bei ersten Anweisungen des 43-jährigen Franzosen genau hin. Zidane verriet wenig später, was er den Profis sagte: Ein neues Abenteuer beginne, man müsse viel arbeiten und alles geben, um die Ziele zu erreichen.

Zidane, einst bester Fußballer der Welt, wurde bei seinem Einstand beim kriselnden spanischen Rekordmeister aber auch mit der Wirklichkeit konfrontiert. Bei der nur rund einstündigen Einheit in Valdebebas im Nordosten Madrids gab es nur wenige Begrüßungsgesänge für den Nachfolger des am Montag gefeuerten Rafa Benítez. Zu groß ist bei den Anhängern der Königlichen noch der Frust nach einer Saison mit bislang vielen Enttäuschungen und Pannen.

Den Hoffnungen von Zidane tat der „kühle Empfang“, wie die Zeitung „AS“ schrieb, indes keinen Abbruch. „Ich stehe vor einer komplizierten Herausforderung, die mich aber sehr motiviert“, sagte der Mann aus Marseille nach dem Training. Vor Journalisten aus aller Welt versicherte „Zizou“ auf seiner ersten Pressekonferenz, er habe keine Angst vor der Zukunft. Er sei sich aber schon darüber im Klaren, dass ein Trainer „Ergebnisse erreichen“ müsse. Mit „schönem und offensiven Fußball“ wolle er „alles gewinnen“.

Real - zur Zeit in der Primera División nur Dritter - verlässt sich in schweren Zeiten auf eine „Legende ohne Erfahrung“, wie die Renommier-Zeitung „El País“ skeptisch schrieb. Bei Real, wo er den Club unter anderem 2002 mit einem Volley-Traumtor im Glasgower Finale gegen Bayer Leverkusen zum neunten Champions-League-Sieg schoss, war Zidane seit 2011 Gehilfe von José Mourinho und Carlo Ancelotti und seit 2014 Trainer des Reserveteams.

Der TV-Sender „RTVE“ meinte, Clubboss Florentino Pérez setze in erster Linie auf das Charisma und die erfolgreiche Club-Geschichte Zidanes und hoffe, dass der Weltmeister von 1998 „den Pep Guardiola“ machen werde. Der nach Meinung vieler beste Trainer der Welt - bis Saisonende noch bei Bayern München unter Vertrag - hatte bei Real-Erzrivale FC Barcelona 2008 auch ohne jegliche Erfahrung angefangen und in der ersten Saison gleich das Triple geholt. Von Guardiola gab es sogleich beste Wünsche mit einer kleinen Einschränkung: „Ich wünsche ihm nicht das Perfekte, weil ich Barcelona-Fan bin.“

Wie Pérez sagte, hat Zidane auf der „Haben-Seite“ die Tatsache, dass er viele der aktuellen Real-Profis aus seiner Zeit als Co-Trainer sehr gut kennt. Mit Kapitän Sergio Ramos hat er sogar noch zusammen gespielt. Der einstige Regisseur werde zudem von den Profis - anders als der ungeliebte Benítez - respektiert, hoben Medien hervor. Öffentliche Stellungnahmen der Profis gab es vorerst nicht, nach Angaben des TV-Senders „La Sexta“ schickten sich Ronaldo & Co. bereits gegenseitig „Glückwunsch-Botschaften“.

Doch was genau hat Zidane bisher als Trainer geleistet? Vorige Saison hatte er das Ziel des Wiederaufstiegs von Real Castilla in die Zweite Liga mit einem sechsten Platz relativ deutlich verpasst. Derzeit liegt das Team auf Platz zwei. Und es gab auch Affären: Unter anderem 2014 eine später aufgehobene Sperre wegen fehlenden Trainerscheins. Kritik setzte es auch, als Zidane Sohnemann Enzo (20) gleich in dessen erster Saison zum Kapitän ernannte.

Zidane selbst hatte erst vor eineinhalb Monaten selbst eine Beförderung zum Real-Chefcoach ausgeschlossen. „Ich bin noch nicht so weit, muss noch viel lernen“. Nun muss ein Crashkurs reichen.

Nach seiner Vertragsunterzeichnung bis 2018 bekam der erste französische Trainer in der Geschichte Reals (und der jüngste seit Jorge Valdano 1994) derweil viel Zuspruch. Ex-Kollege David Beckham schrieb auf Instagram: „DER BESTE FÜR DIESEN JOB!“ Und Bayern-Spieler Xabi Alonso - ebenfalls ein Ex-Merengue - wünschte auf Spanisch „Suerte (Glück), Zizou!“

Der Ex-Profi von Cannes, Bordeaux und Juventus, der nach dem unrühmlichen Kopfstoß im WM-Finale gegen Italiens Marco Materazzi seine Karriere 2006 beendete, sagte, er wolle „mit ganzem Herzen“ für den Club arbeiten. Aber selbst als Idol und Sympathie-Träger wird er auch mit enormem Druck und Skepsis leben müssen. Und die Fans haben nach einem Jahr ohne Titel und vielen Affären - unter anderem flog man wegen einer Wechsel-Panne aus dem Pokal - kaum noch Geduld übrig.

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