Heynckes: „Sie können es wieder schaffen“

Jupp Heynckes über die Bundesliga, Bayerns Triple-Chancen und die WM-Aussichten der DFB-Elf.

Heynckes: „Sie können es wieder schaffen“
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Schwalmtal. Viel Grün, märchenhafte Ruhe vor den Toren Mönchengladbachs. Ehefrau Iris und Schäferhund Cando kommen zur Begrüßung in den Innenhof im idyllischen Schwalmtal. Drinnen im Landhaus empfängt Jupp Heynckes (68) in lässiger Jeans und einem blauen Polohemd in seinem eleganten Büro bei Kaffee und Mineralwasser. Er hat 90 Minuten. Zeit zum Reden.

Herr Heynckes, kann der FC Bayern das Triple wiederholen?

Heynckes: Bayern hat den besten Kader Europas, und jetzt mit Manchester United im Viertelfinale eine lösbare Aufgabe. Der große Vorteil ist, dass den Spielern durch den Gewinn des Triples im vorigen Jahr jeglicher Druck genommen wurde. Sie können frei aufspielen, sind voller Selbstbewusstsein und das bei einer wahnsinnigen Qualität. Gerade die Generation Lahm/Schweinsteiger stand ja unter einem enormen Druck, etwas ganz Großes leisten zu müssen. Der ist jetzt weg. Ich bin davon überzeugt, dass die Bayern mit ihrem starken Kollektiv und tollen Teamgeist erneut die Champions-League gewinnen können.

Aber wird die Dominanz des Rekordmeisters in der Liga nicht allmählich zum Problem?

Heynckes: In der Tat. Da herrscht die große Langeweile, denn die Bayern werden nicht locker lassen und bis auf weiteres die Schale behalten. Die Frage ist, ob Dortmund und Schalke als wohl ständige Verfolger in der Lage sind, den Abstand zu verringern. Dazu müssten sie wirtschaftlich kreativ zu sein und weiter aufzurüsten. Das wird nicht einfach, wenn man sich den riesigen Vorsprung der Bayern vor Augen hält.

Ist Real Madrid im Viertelfinale der Champions-League angesichts der personellen Misere eine zu hohe Hürde für Borussia Dortmund?

Heynckes: Ich bin der Meinung, dass es zwei ganz enge Spiele werden. Trainer Ancelotti ist dabei, Real wieder zu formen. Er ist auf einem sehr guten Weg, aber so ein Prozess dauert. Noch hat Real Madrid als Kollektiv den höchsten Punkt nicht erreicht. Madrid ist gegen Dortmund zwar Favorit, aber ich würde dem BVB trotz personeller Engpässe mit seiner internationalen Erfahrung durchaus eine Überraschung zutrauen. Zumal Marco Reus wieder zurück ist.

Beeindruckend, wie Dortmund in Hannover auf die Niederlage gegen St. Petersburg reagiert hat.

Heynckes: Mich hat das nicht überrascht. Als bei der Auslosung der Name Real Madrid fiel, hat es garantiert bei der Mannschaft Klick gemacht. Das sind so Denkanstöße für die Spieler, das elektrisiert, das motiviert. Es ist ein Phänomen im Fußball, und das hat man gegen Hannover sofort gesehen und gegen Schalke hätten sie ja auch gewinnen müssen.

Wie sehen Sie die Entwicklung bei ihrem ehemaligen Verein Borussia Mönchengladbach?

Heynckes: Positiv. Nach der Durststrecke in den vergangenen Wochen hat die Mannschaft wieder Fuß gefasst. Es waren in der Phase auch ein paar unglückliche Unentschieden dabei. Der Verein steht auf wirtschaftlich gesunden Beinen und hat einen sehr guten Trainer. Da ist ein Entwicklungsprozess im Gang, der Geduld fordert. Ich halte einen Europa-League-Platz für machbar, mehr wird schwierig. Lucien Favre und Raffael harmonieren, der Spieler fühlt sich wohl, fühlt sich sicher; das ist die entscheidende Voraussetzung für seine Effektivität.

Am 14. Juni beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Seit 1996 gab es keinen Titel mehr. Wie weit kommt Deutschland?

Heynckes: Die deutsche Mannschaft wird wie immer gut vorbereitet ins Turnier gehen. Das ist klar. Wichtig ist, dass die Bundesligatrainer gesunde Spieler an Jogi Löw und sein Team übergeben. Im Moment gibt es noch große Fragezeichen. Schaffen es Khedira und Gündogan bis Mitte Juni. Ist Schweinsteiger bis dahin topfit? Was ist mit Klose und Gomez? Angesichts der extremen klimatischen Bedingungen und der großen Entfernungen ist der Fitnesszustand der Spieler von immenser Bedeutung. Sollten alle Voraussetzungen erfüllt sein, kann Deutschland das Endspiel erreichen.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage, Sie haben im vorigen Jahr nach dem Gewinn des Triples die Karriere beendet. Wie schwer ist Ihnen der Schritt gefallen vom intensiven Fulltime-Job als Cheftrainer zum Privatmann?

Heynckes: Es ist mir überhaupt nicht schwer gefallen, loszulassen. Ich war 50 Jahre im Business Bundesliga mit der einen oder anderen Unterbrechung. Es gab Höhen und Tiefen, große Siege, Titel und auch manche Enttäuschung. Es kann doch nichts Schöneres geben, als mit dem FC Bayern einen historischen Erfolg zu feiern und dann von der Bühne abzutreten. Ich habe jetzt viel Zeit, Zeit für die Familie, für Freunde, Das kam ja alles zu kurz. Mein Tag ist ausgefüllt, zumal es ja auch immer wieder Termine gibt. Kürzlich war ich in Barcelona und habe die Laudatio für den schwer erkrankten ehemaligen Barca-Trainer Tito Vilanova gehalten. Der ist in Spanien Trainer des Jahres geworden. Das war sehr bewegend.

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