Die befeuerte Neid-Debatte

DFB-Präsident Theo Zwanziger verteidigt die Bundestrainerin. „Sie kann auch bis 2020 weitermachen.“

Düsseldorf. In solchen Momenten wird Theo Zwanziger patzig, wirkt kurz angebunden. 0:1 gegen Japan im Viertelfinale, ausgeschieden, Weltmeisterschaft für Deutschland beendet, der größte anzunehmende sportliche Unfall.

Als die ersten Fragen nach den Gründen gestellt werden, fühlt sich der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aufgerufen, einige Dinge klarzustellen. In der Machtzentrale des deutschen Fußballs in Frankfurt gibt es keine Zweifel, betont Zwanziger: „Es gibt keine bessere Bundestrainerin als Silvia Neid. Und ich bin froh, dass wir ihren Vertrag schon vor der Weltmeisterschaft bis 2016 verlängert haben. Wenn sie will, kann sie auch bis 2020 bleiben.“

Womöglich geht Neid auf dieses Angebot nicht ein. Gestern vermeldete die „Bild“-Zeitung erste Selbstzweifel der deutschen Trainerin. „Ich brauche jetzt erst mal Abstand“, sagte die 47-Jährige. In ein paar Wochen werde sie sich fragen: „Was will ich eigentlich? Kann ich mich für eine EM in zwei Jahren nochmal motivieren?“

Es gebe einige Anfragen, auch von außerhalb des Fußballs. Sie habe keine Angst vor der Zukunft. Ihr sei klar, dass „jetzt eine Schuldige gesucht“ werde und dass es in erster Linie immer die Trainerin sei. „Auch für mich ist ein Traum zerplatzt. Ich habe mich über ein Jahr auf die WM vorbereitet, und dann das. Ich weiß, dass ich nie wieder in meinem Leben als Trainerin eine Heim-WM erleben werde. Das ist sehr hart“, räumte Neid große Enttäuschung ein.

Der Montag nach dem Ausscheiden dürfte für die Abteilung, die beim DFB für Medien und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, nicht besonders erfreulich gewesen sein. Die Kritik an der Bundestrainerin war einhellig.

Wer ein Vierteljahr Zeit hat, eine Mannschaft vorzubereiten, muss unter normalen Umständen ein klareres Konzept vorzuweisen haben als das, was diese Weltmeisterschaft offenbarte: Keine wirklichen Alternativen auf der Position sechs, eine unklare Auswechselstrategie, ein äußerst unglücklicher Umgang mit der Personalie Birgit Prinz.

„Ich werde öffentlich keine Kritik an Silvia Neid üben, dafür schätze ich sie viel zu sehr“, sagt Martina Voss-Tecklenburg, die am Montag Jena erreichte, um ihren neuen Job in der Bundesliga anzutreten, und für unsere Zeitung die WM beobachtete. „Ich glaube, dass das Spiel gegen Japan gezeigt hat, dass der Mannschaft ein Kopf fehlt. Wir haben viele aufstrebende Talente, aber wir haben keine, die auf dem Platz die Chefrolle einnehmen kann.“

Was nichts anderes heißt, als dass eine Strategin fehlt, die Rekordnationalspielerin Birgit Prinz einmal war, aber nicht mehr ist. „Vielleicht hätte es mit Birgit Prinz gegen Japan besser funktioniert, aber dafür gab es nach ihren Leistungen im Turnier keine Garantie“, sagt Voss.

Die Nationalmannschaft ist, das ist das Fazit von Martina Voss, von ihrer Bestform weit entfernt. „Letztendlich war der öffentliche Druck für diese Mannschaft zu groß.“ Und dieser öffentliche Druck ist von Theo Zwanziger und dem DFB befördert worden.

Dieser Druck hat sogar Routiniers wie Torhüterin Nadine Angerer aus dem Konzept gebracht. Lira Bajramaj nicht zu ihrer Form finden lassen, Alexandra Popp und andere überfordert. Martina Voss sagt: „Die Mannschaft hat gegen Japan unglaublich hart gearbeitet, aber zu keinem Zeitpunkt eine Strategie entwickelt, wie man ein Tor erzielen kann.“

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