Ronaldo und der Fehlschuss: Häme für den Superstar

Paris (dpa) - Cristiano Ronaldo stand im Pariser Prinzenpark noch auf dem Rasen, da gingen die dicken, manchmal auch hämischen Schlagzeilen schon um die Welt. „CRNull“, titelte etwa die Zeitung „Globo“ in Brasilien.

Ronaldo und der Fehlschuss: Häme für den Superstar
Foto: dpa

Portugals „Record“ stellte nur ein einziges Wort über ein Foto des Superstars von der traurigen Gestalt: „Gescheitert!“ Wenn man so will, hat Ronaldo auch dieses EM-Spiel gegen Österreich allein entschieden - nur eben nicht so, wie man das von dem dreimaligen Champions-League-Sieger und dreimaligen Weltfußballer von Real Madrid kennt.

Portugals Stürmerstar verschoss einen Elfmeter (79.), vergab noch fünf weitere klare Chancen und traf nur einmal aus dem Abseits ins Tor (83.). 23:3 für Portugal lautete am Ende die Torschussstatistik, 0:0 das Ergebnis. „So ist Fußball“, sagte Ronaldo selbst dazu. „So haben wir uns das nicht vorgestellt.“

Wie immer, wenn der teuerste und am meisten polarisierende Fußballer der Welt besonders aus dem Rahmen fällt, ist die Wucht der Reaktionen danach noch weitaus größer als das, was eigentlich passiert ist. Das war schon nach seinen abschätzigen Kommentaren zum 1:1 gegen Island so und jetzt auch nach seinem Fehlschuss gegen Österreich. Gigabyteweise Schadenfreude ergoss sich im Internet über Ronaldo. Dazu gehörte auch ein Twitter-Foto von jenem Torpfosten, an den zuvor sein Elfmeter geprallt war. Der Kommentar dazu: „Champions-League-Sieger-Besieger“.

Ronaldo selbst gab nur ein paar Floskeln zu diesem Spiel ab. „Wir müssen weiter an uns glauben. Wenn wir das nächste Spiel gegen Ungarn gewinnen, sind wir trotz dem weiter.“ Das war's.

Aus den Minuten nach dem Spiel wird diesmal nur eine Szene von ihm in Erinnerung bleiben: Ein Fan hatte es an allen Ordnern vorbei auf das Spielfeld geschafft, er wollte unbedingt ein Foto von sich und Ronaldo machen. Der Superstar blieb selbst dann noch bei dem Mann stehen und hielt alle Sicherheitskräfte zurück, als der Auslöser der Handykamera wieder und wieder nicht funktionierte.

Kritiker legten ihm das als einen Akt publikumswirksamer Demut aus. Andere wie sein Teamkollege Vieirinha vom VfL Wolfsburg erkannten darin nur den Ronaldo wieder, den sie auch aus der Kabine kennen („Er ist ein völlig anderer Typ als derjenige, den die Presse zeichnet.“).

So ist das eben mit „CR7“: Fast jeder hat ein nahezu unverrückbares Bild von ihm. Für die einen ist er der arrogante Schnösel. Für die anderen eine Art Naturwunder, das für Real Madrid in 236 Spielen 260 Tore geschossen hat und seit Samstagabend obendrein der alleinige Rekordspieler der portugiesischen Nationalelf (128 Einsätze) ist sowie zusammen mit Lilian Thuram (Frankreich) und Edwin van der Sar (Niederlande) auch noch die Bestmarke bei den EM-Einsätzen hält (16).

Ronaldos Bild bei dieser EM ist noch nicht ganz fertiggezeichnet. Aber das, was sich nach zwei Spielen erkennen lässt, erinnert fatal an das vergangener Turniere. Wie schon bei der WM 2014 droht Portugal erneut ein schnelles Aus, vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Ungarn ist der Gruppenfavorit nur Dritter. Von der vorzeitigen Heimreise über ein Achtelfinalduell mit Titelverteidiger Spanien bis hin zum Gruppensieg ist am Mittwoch (18.00 Uhr) noch alles möglich.

Warum auch Ronaldo persönlich bei einem großen Turnier wieder einmal nicht so gut spielt wie im Verein, ist nicht so einfach zu beantworten. Liegt es an den Folgen einer Oberschenkelverletzung aus dem April? Oder ist es der Verschleiß nach einer langen, kräftezehrenden Saison mit Real Madrid?

Trainer Fernando Santos verweigerte sich nach dem Österreich-Spiel dieser ewigen, auch Portugals Team belastenden Ronaldo-Debatte. „Ich verstehe ihre Fragen, aber ich werde nicht über Cristiano Ronaldo sprechen“, sagte der 61-Jährige. Seine Zuversicht hat Santos dennoch nicht verloren. „Wir haben jetzt ein richtiges Endspiel vor uns. Allein darauf müssen wir uns konzentrieren. Wenn wir das gewinnen, wird das ganze Team daran wachsen.“

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