Familienbesuch für Ungarns Helden - „Etwas Großartiges“

Marseille (dpa) - Am Tag nach dem Last-Minute-Remis gegen Island gönnte Bernd Storck seinen ungarischen Fußball-Helden endlich einmal ein bisschen Freizeit.

Familienbesuch für Ungarns Helden - „Etwas Großartiges“
Foto: dpa

Im Anschluss an das morgendliche Training öffnete der deutsche Trainer des EM-Überraschungsteams am Sonntag die Pforten des schmucken Spa und Golf Ressorts Terre Blanche im kleinen Provence-Städtchen Tourrettes für die Familien der Spieler. „Das haben sich die Jungs mehr als verdient“, sagte Storck. Schließlich haben die Magyaren schon jetzt mehr erreicht, als ihnen viele vor ihrer ersten Europameisterschaft seit 44 Jahren zugetraut hatten.

Das wegen des späten Ausgleichtreffers glückliche 1:1 gegen Island in Marseille war am Ende verdient. Die Ungarn führen die Gruppe F nach zwei Spieltagen unerwartet mit vier Punkten vor Island und Portugal (je 2) sowie Österreich (1) an und stehen vor dem Einzug ins Achtelfinale. „Der Traum geht weiter“, titelte die ungarische Sportzeitung „Nemzeti Sport“. „Vier Punkte - wenn mir das vor dem Turnier jemand gesagt hätte, ich hätte es nicht für möglich gehalten“, sagte Storck.

Für den früheren Bundesliga-Profi von Bochum und Dortmund sind die Resultate in Frankreich das Ergebnis harter Arbeit. Drei Wochen lang zog Storck seine Spieler in zwei Trainingslagern zusammen, wählte mit Afrikameister Elfenbeinküste und WM-Champion Deutschland bewusst zwei starke Testspielgegner aus.

Vor allem der Auftritt in Gelsenkirchen gegen die DFB-Elf sei trotz der 0:2-Niederlage angesichts der Kulisse von 60 000 Zuschauern wichtig gewesen. „Zu Hause spielen die Jungs meist nur vor 2000 Zuschauern“, sagte Storck. „Wenn ich die hier sofort reinschmeiße und die spielen vor 50/60 000 Zuschauern, das geht nicht.“

So aber fühlen sich die Ungarn gut auf ihr EM-Abenteuer vorbereitet. „Der deutsche Trainer hat die deutsche Mentalität mitgebracht“, sagte Adam Szalai von 1899 Hoffenheim, der gegen Island trotz seines Tores gegen Österreich etwas überraschend zunächst auf der Bank saß.

Nachdem Szalai in der Nachspielzeit den letzten Freistoß der tapferen Isländer mit großem Einsatz abgewehrt hatte, feierten er und die ungarischen Fans den Punktgewinn fast wie einen Titel. Auch Co-Trainer Andreas Möller lief völlig enthemmt über den Rasen des Stade Vélodrome, als habe er selbst noch mitgespielt. „Unsere Fans sind fantastisch“, sagte Storck.

Die Vorfälle rund um die Partie, als es im Ungarn-Block zu einigen Schlägereien und dem Einsatz von Bengalos kam, verurteilte Storck aber. „Das ist natürlich nicht schön, was da abgegangen ist. So etwas wollen wir im Fußball nicht sehen“, sagte der 53-Jährige.

Während Storck mit seinem Team beschwingt zurück ins Teamquartier reiste, waren die Isländer tief enttäuscht. Nachdem Gylfi Sirgurdsson sie mit einem umstrittenen Foulelfmeter in der 40. Minute in Führung gebracht hatte, tat der Ausgleich durch ein Eigentor von Birkir Saevarsson und der knapp verpasste EM-Sieg besonders weh. „Wenn du siehst, wie traurig die Jungs in der Kabine sitzen, dann war dieses Remis für uns wie eine Niederlage“, sagte Islands Stürmer Kolbeinn Sigthorsson.

Noch können aber auch die Isländer bei ihrer ersten EM das Achtelfinale erreichen. Ein Sieg zum Abschluss gegen Österreich und das Team von Trainer Lars Lagerbäck steht in der K.o.-Runde. Den Ungarn dürfte bereits ein Remis gegen Portugal reichen. Selbst im Falle einer Niederlage stehen die Chancen auf das Weiterkommen gut.

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