EM 2016 Einzelkritik: Neuers Glanz, Schweinsteigers Auftritt, Müllers Frust

Die deutsche Elf spielte hohes Tempo, hatte aber auch in der Defensive bisweilen Probleme.

Kam, sah und traf, - Bastian Schweinsteiger (li.) kaum in der 90. Minute eingewechselt, machte den Sieg mit seinem Tor zum 2:0 perfekt. Hier jubelt er mit dem Torschützen Shkodran Mustafi (1:0, 19. Minute), nach dem Sieg über die Ukraine.

Kam, sah und traf, - Bastian Schweinsteiger (li.) kaum in der 90. Minute eingewechselt, machte den Sieg mit seinem Tor zum 2:0 perfekt. Hier jubelt er mit dem Torschützen Shkodran Mustafi (1:0, 19. Minute), nach dem Sieg über die Ukraine.

Foto: Laurent Dubrule

Manuel Neuer: Früher eher farbig unterwegs, trägt jetzt ein Schwarz, das samt neuer Spielführerbinde fast so edel aussieht wie seine Leistung war: Rettete vor der Pause zweimal als Fels in der Brandung, wirkt dabei — wie immer — unfassbar cool. Cooler kann auch Italiens Gianluigi Buffon mit seinen 38 Jahren nicht sein.

Benedikt Höwedes: Teil einer Abwehr, die lange nicht wusste, wie sie verteidigen soll, wenn doch alle so hoch stehen und eigentlich viel lieber Angriffe einleiten wollen. Höwedes Seite war deshalb oft ein Ort der ukrainischen Freiheit, weil der Gegner physisch viel stärker war als erwartet. Auch stärker als Höwedes, der sich reinfinden muss ins Turnier.

Jérome Boateng: Seine Rettungstat (für sie hier im Foto festgehalten) wird in keinem EM-Rückblick fehlen. Boateng wäre fast mit dem gefährliche Richtung nehmenden Ball rückwärts ins ins Tor geflogen, da wirkten ungünstige physikalische Kräfte. Klärte dann aber doch artistisch — und flog ohne Ball ins Tor. Gute Wahl, eine legendäre Aktion.

Shkodran Mustafi: Selten einen Kopfball gesehen, bei dem der Torschütze so wunderbar engagiert und auf den Punkt in die Luft gestiegen ist. Mustafi brauchte keine Hände, um den Gegenspieler zur Hilfe zu nehmen, es war nur: diese Kroos-Flanke, ein Wille und ein Weg. Und irgendwo weinte ein Vater, der seinen neugeborenen Sohn nach dem Siegtorschützen der Deutschen benennen wollte. Er hatte gesagt: „Mustafi wird schon nicht treffen.“ Tja. Nenn ihn besser Bastian!

Jonas Hector: Auch über seine Seite stand vor der Pause nicht alles auf Rot für die Ukrainer, trotzdem hat sich Hector längst zurecht in diese Elf gespielt. Er wird nicht weichen.

Sami Khedira: Schien, als wollte er schon im ersten Spiel Europameister werden. Spielte anfangs ständig Pässe, die er besser Kroos überlassen hätte. Sie gelangen dann oft auch nicht. Steigerte sich aber, schoss, was die großen Kräfte hergaben und lieferte ein unglaubliches Laufpensum.

Toni Kroos: Spielte Pässe in die Spitze, die nur Kroos so spielen kann. Khedira und gegen Ende Özil standen deshalb auf einmal allein vor dem Tor. Weiß inzwischen, dass er in jedem Moment Weltklasse sein kann. Ist deshalb die Seele des deutschen Spiels.

Thomas Müller: Man wechselt Thomas Müller ja nicht einfach so aus. Kann ihm ja immer mal einer auf den Kopf fallen oder vor die Füße, oder irgendwie anders, das Müller-Potenzial kennt da ja keine Grenzen. Am Sonntag war eher eine Szene bezeichnend aus der ersten Halbzeit: Müller will den Ball artistisch direkt nehmen, das Spielgerät fliegt ihm aber gegen den Kopf und springt von dort ins Aus. Müller wirkte am Sonntag nicht fit. Und ein bisschen zerknirscht. Vielleicht wäre er gerne Capitano gewesen?

Mesut Özil: Als Bundestrainer Löw am Samstag nach Özil gefragt wurde, hielt der Trainer eine Eloge auf den Star von Arsenal London. Form seines Lebens, topfit, viel besser als 2014 — mehr Lob ging nicht. So gesehen hat Özil am Sonntag nicht alles halten können. Aber als er Schweinsteiger fantastisch zum 2:0 bediente, war alles gut. Sehr gut sogar.

Julian Draxler: Eine ordentliche Leistung, wirkte deutlich engagierter als so oft in Wolfsburg und manchmal auch im Nationalteam. Trotzdem gelang nichts Effizientes. Auch, weil er schlicht zu viele Zweikämpfe verliert. Draxler wird weiter um seinen Platz kämpfen müssen. Schürrle kam für ihn, links offensiv bleibt ein Problem.

Mario Götze: Acht Kontakte in der ersten Halbzeit waren ein bisschen wenig, aber es war auch nicht ganz leicht als einzige Spitze gegen eine physisch starke Abwehr. Götze mühte sich, aber die Ukraine spielte eben auch sehr viel offensiver als man erwartet hatte. So war das gut vorbereitete Durchspielen mit und über Götze viel weniger gefragt.

Bastian Schweinsteiger: Kam, sah und traf sofort. Wirkt noch leicht pummelig, ist aber jetzt extrem gut gelaunt. Und das kann für diese Mannschaft noch extrem wertvoll sein.

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