60 Jahre Freundschaftsspiel: Wismut Karl Marx Stadt - 1. FC Kaiserslautern Das schönste Tor des großen Fritz

Vor 60 Jahren: 120 000 Zuschauer jubeln in Leipzig dem 1. FC Kaiserslautern zu — „Das war Glück, aber kein Zufall“

Fritz Walters Tor in Leipzig.

Fritz Walters Tor in Leipzig.

Osnabrück. Die Grenze zwischen den beiden Deutschlands war schon da, die Mauer noch nicht. Der große Krieg war gerade mal elf Jahre vorbei, der Kalte Krieg noch nicht eiskalt. Es gab gelegentlich Fußball-Freundschaftsspiele zwischen Vereinen aus der Bundesrepublik und der DDR.

Für das Spiel, das am 6. Oktober 1956 im neuen Leipziger Zentralstadion angesetzt war, gab es 400 000 Kartenwünsche, denn der 1. FC Kaiserslautern kam in den Osten. Heute ist der FCK ein Zweitligist, der unter Schulden und Abstiegsangst ächzt. Damals waren die Roten Teufel eine der besten und populärsten Mannschaften Europas — erst recht, seit fünf Männer vom Betzenberg am 4. Juli 1954 mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister geworden waren.

Auch die Fußballfreunde in der DDR hatten Anteil genommen an dem Sensationstriumph. Sie wollten die „Helden von Bern“ sehen, sie fieberten dem Auftritt der „Walter-Elf“ entgegen, sie rissen sich um die Karten. 120 000 drängten sich bei herbstlichem Nieselregen in der gewaltigen, unüberdachten Arena an diesem Samstagabend, Tausende verfolgten die Partie von den Treppenstufen aus. Bis heute ist das deutscher Zuschauerrekord für ein Vereinsspiel. Gegner der Lauterer war der DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt, doch das Publikum huldigte dem Gast: Sprechchöre empfingen den Weltklassefußballer Fritz Walter und seine Kollegen, Szenenapplaus begleitete die Angriffszüge der spielfreudigen Lauterer, und die fünf Treffer, die sie zum 5:3-Sieg schossen, wurden stürmisch umjubelt. „Fritz vor — noch ein Tor“, riefen Zehntausende.

Dem DDR-Sportblatt „Sportecho“ war das einen Tadel ans Publikum wert, ein Wismut-Spieler hatte es kürzer und treffender formuliert: „Es war für uns ein schweres Auswärtsspiel…“ Vieles ist denkwürdig an diesem Flutlichtspiel, doch zur Legende wurde es wegen eines Tores. Das 3:1 erzielte Fritz Walter mit einem Hackentrick, der durchaus als Jahrhunderttor gelten darf und heute im Zeitalter allgegenwärtiger TV-Kameras als Weltsensation gefeiert werden würde. Mit dem Kopf voran hechtete der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft in die Flanke, traf — waagerecht in der Luft fliegend — den Ball mit der rechten Ferse und sah ihn als Bogenlampe in den Winkel fliegen.

Es gibt nicht einen Filmschnipsel von diesem Kunstwerk, nur zwei, drei Fotos. In das berühmteste davon hatte der Fotograf die Flugkurve des Balles mit gestrichelter Linie eingezeichnet. „Es war das schönste Tor meiner Laufbahn“, sagte der große Fritz stets, wenn die Rede auf seine artistische Leistung kam. So bescheiden er auch war, so wollte er in dem Zusammenhang eins festgehalten wissen. „Es war Glück, dass der Ball ins Tor ging. Aber es war kein Zufall, dass ich den Ball so getroffen habe. Das habe ich in Kaiserslautern bei unseren Spielchen nach dem Training immer wieder mal probiert“, betonte er. „Jetzt spielen wir italienisch“, pflegten sich die Pfälzer Ballkünstler anzufeuern, wenn sie bei dieser Gelegenheit die verrücktesten Tricks ausprobierten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort