Bayer Leverkusen Völler ist Roger Schmidts letzter Joker

Solange der Sportdirektor Leverkusens Trainer stützt, halten auch die Gesellschafter die Füße still. Trotz der erneuten Sperre für Schmidt.

Trainer Roger Schmidt von Leverkusen sitzt auf der Bank beim Spiel gegen Hoffenheim.

Trainer Roger Schmidt von Leverkusen sitzt auf der Bank beim Spiel gegen Hoffenheim.

Foto: Ina Fassbender

Leverkusen. Vor einem Jahr gewann Leverkusen im DFB-Pokalwettbewerb mit 3:0 beim Drittligisten Sportfreunden Lotte — durchaus mühevoll. Bayer habe seinerzeit „nur ein Tor aus dem Spiel heraus erzielt“, erinnerte sich dieser Tage Lottes Kapitän Gerrit Nauber. Und: Jetzt wolle man mal richtig lange die Null halten, „dann kann es ein richtiger Pokalkracher werden“. Wie man so hofft, wenn man als David dem Goliath auch bei der Neuauflage 2016 unterlegen ist, aber irgendwie in einem einzigen Spiel, in dem es am Dienstag (18.30 Uhr) um den Einzug ins lukrative Pokal-Achtelfinale geht, wo auch einem Drittligisten 500 000 Euro winken, dann doch seine Chance sieht. Zumal Leverkusen geradezu mit einem Bus voller Probleme nach Lotte reist.

„Uns erwartet richtige Pokal-Atmosphäre“, sagte Leverkusens Trainer Roger Schmidt. Aber das ist ja nur das klitzekleinste Problem des Sauerländers angesichts des jüngsten 0:3 gegen Hoffenheim, der bereits vierten Niederlage im Ligabetrieb. Und angesichts dessen, was ihm da zwischen Tat am Spielfeldrand am Samstagnachmittag und juristischer Bewertung gestern widerfahren ist.

Das Pokalspiel in Lotte wird Schmidt von der Tribüne aus verfolgen: Zwei weitere Spiele Sperre setzte das DFB-Sportgericht gestern für den 49 Jahre alten Fußball-Lehrer an, der mit seinem erneut ungebührlichen Verhalten im besten Fall von den Problemen seiner Mannschaft abgelenkt hat. Und im schlechtesten Fall die Fortsetzung seiner Karriere in Leverkusen aufs Spiel setzt. Was da alles so verbal gefallen ist zwischen Schmidt und Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann („Schnauze“, „Spinner“, „Arsch“) ist das eine, aussagekräftiger für die Bewertung Schmidts als das in der Liga hin und wieder übliche Gezeter ist aber die entlarvende Replik an Nagelsmann: „Glaubst du, du hast den Fußball erfunden?“ Da blieb der Eindruck eines haltlos eifersüchtigen Trainers, der stets selbst größten Wert auf einen ganz eigenen Spielstil gelegt hatte und nun von einem 29 Jahre alten Trainer-Konkurrenten aufs Eis geführt wurde.

Schmidt als schlechter Verlierer, und als derzeit Tabellenelfter noch dazu zur Unzeit? Die Gemengelage ist schwierig für den Trainer, nicht viel spricht derzeit für ihn. Auch für den Verein, der in Lotte dringend den Grundstein für bessere Tage legen muss. Es folgen danach wichtige Auswärtsspiele in Wolfsburg und Tottenham. Und der DFB-Pokal hat in Leverkusen Gewicht, man sehnt sich nach einem Titel, und der Pokal gilt als erreichbar.

Schon im vergangenen Jahr dachte man so. Das schmerzhafte Pokalende im Viertelfinale daheim gegen Bremen hing Schmidt noch lange nach. Und dieses Mal? Noch genießt der Trainer Rückendeckung. Die Aussetzer des wichtigen Angestellten mit Vertragslaufzeit bis 2019 werden im mächtigen Gesellschafterausschuss unter Führung von Bayer-Dino Werner Wenning nicht gerne gesehen. Aber so lange Schmidt den Rückhalt des im Gesellschafterkreis geschätzten Sportdirektors Rudi Völler genießt, halten auch die Gesellschafter die Füße still. Stets abwägend, ob der Marke Bayer nun Schaden zugefügt wird, oder ob man den geschärften Fokus der Medien auf Leverkusen dann eben doch ganz gern in Kauf nimmt. Motto: Langweilig brauchen wir hier nicht mehr.

Lieber allerdings wäre auch den Gesellschaftern, der sich permanent selbst unter Druck setzende Trainer Schmidt führe ein durchaus sehenswertes und teures Leverkusener Ensemble nach oben. Wie es ihm nach Krisen durchaus schon gelungen ist. Dass mit jedem neuen Ausfall die Glaubwürdigkeit des Cheftrainers auch in der Mannschaft leidet, ist eine Binsenweisheit. So hängt Schmidt nun mehr denn je am Erfolg, schon weiteres Ungemach in den kommenden drei Aufgaben in allen drei Wettbewerben könnte die vereinsinterne Sicht auf ihn verändern. Auch deshalb zeigte Schmidt gestern Reue. Erst im Februar war er zu einer Sperre von fünf Spielen verurteilt worden. Zwei davon wurden bis zum 30. Juni 2017 auf Bewährung ausgesetzt, diese Bewährung ist seit gestern bei einer Geldstrafe von 15000 Euro ausgesetzt, Schmidt darf in Lotte und in Wolfsburg nicht coachen.

„Ich respektiere und akzeptiere das Urteil vorbehaltlos und kann die Argumentation des Gerichts aufgrund der Vorgeschichte im Rahmen des Dortmund-Spiels im vergangenen Februar nachvollziehen“, ließ der Trainer gestern mitteilen. Weitere 15 000 Euro wolle er an eine soziale Einrichtung spenden. „Ich bedauere, die Mannschaft in diese Situation gebracht zu haben. Jetzt geht es darum, die Vorfälle hinter uns zu lassen, sie für die Zukunft auszuschließen und uns auf unsere sportlichen Ziele zu konzentrieren.“ Es ist seine letzte Chance.

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