VfB unten, Freiburg oben: Verkehrte Welt vor Derby

Stuttgart (dpa) - Der SC Freiburg ist Siebter, der VfB Stuttgart Vorletzter - selten stand die schwäbisch-badische Hierarchie in der Fußball-Bundesliga so auf dem Kopf wie in dieser Saison.

„Sie haben fast doppelt so viele Punkte wie wir, das sagt schon alles. Sie stehen nicht zu Unrecht da oben“, lobt VfB-Trainer Bruno Labbadia die Freiburger vor dem Derby am Sonntag.

Auffällig ist, dass der vermeintlich kleine Nachbar aus dem Breisgau für genau das steht, was der deutlich größere VfB seit langem sucht: für Kontinuität und ein gutes Auge auf dem Transfermarkt. „Die Freiburger waren mir immer sehr sympathisch“, gesteht Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic, obwohl „dieses Spiel immer auch ein wenig wie Studenten gegen Landeshauptstadt war“.

Es kam in der Geschichte der Bundesliga nur zweimal vor, dass der Sportclub am Ende einer Saison vor dem VfB stand. In beiden Jahren (1995 und 2001) qualifizierte er sich für den UEFA-Cup. Auch die Bilanz der direkten Vergleiche spricht klar für die Stuttgarter: Von 23 Bundesliga-Duellen gewannen sie 13. Der einzige Freiburger Sieg am Neckar liegt fast 17 Jahre zurück (1994 mit 4:0).

Selbst wenn das so bleiben sollte, werden die Schwaben die Badener in dieser Saison kaum noch einholen können. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Während der VfB bei seinen Spielereinkäufen zuletzt häufig danebenlag (Camoranesi, Degen, Hleb), hat sich Freiburg seit dem Wiederaufstieg 2009 zumindest auf den Schlüsselpositionen enorm verstärkt. Papiss Demba Cissé schoss in dieser Saison schon 15 Tore, auch Felix Bastians, Jan Rosenthal und Mensur Mujdza schlugen ein.

Wenn die verantwortlichen Personen seit Jahren zusammenarbeiten und ähnlich denken, fällt das auch leichter als unter den Stuttgarter Bedingungen. Freiburg hatte seit 1991 nur zwei Trainer - der VfB allein in den vergangenen zehn Jahren acht. Und während Labbadia erst mühsam am Zusammenhalt seiner Mannschaft arbeiten muss, erklärt sein Kollege Robin Dutt seit Monaten: Der Freiburger Erfolg basiert auf der „Charakterstärke der einzelnen Spieler und dem Teamgeist“.

Die Frage ist nur, wie lange der SC seinen momentanen Vorsprung behaupten kann. „Auf Dauer wird es sehr schwierig bis fast unmöglich sein, sich als kleiner Verein in der Spitzengruppe der Bundesliga zu halten“, meint Dutt. Die Freiburger sprechen aus eigener Erfahrung: 2002 stiegen sie nur ein Jahr nach der UEFA-Cup-Qualifikation ab.

Immerhin haben sie einige Weichen für die Zukunft schon gestellt. Erik Jendrisek kam im Winter von Schalke 04, Beg Ferati wechselt im Sommer vom FC Basel zu den Breisgauern. Und der bis 2014 gültige Vertrag mit Torjäger Cissé lässt nur zwei Optionen offen: Entweder er bleibt, oder er bringt dem SC viel Geld.

Der VfB möchte zunächst den Klassenerhalt schaffen und dann die Lehren aus dieser Saison ziehen. Sie sehen einen Umbruch weg von teuren, verbrauchten Spielern hin zu jungen, hungrigen Profis vor. Alle in Stuttgart gehandelten Neuzugänge wie Tunay Torun vom HSV oder Zoltan Stieber von Alemannia Aachen passen in dieses Raster.

Dann möchten die Stuttgarter die Freiburger wieder überholen, auch wenn die Rivalität mit Karlsruhe und Hoffenheim viel größer ist. „Einen Derby-Charakter hat es mit Freiburg immer gegeben“, sagt Bobic. „Aber auch eine gewisse Freundschaft mit den Verantwortlichen.“

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