Borussia Dortmund Tuchel — ein Bauleiter mit straffem Zeitplan

Der BVB-Trainer hat den Umbau des Borussia-Teams während des laufenden Betriebes noch nicht abgeschlossen. Seine jüngste Spieler-Kritik scheint dabei nicht förderlich.

BVB-Cheftrainer Thomas Tuchel.

BVB-Cheftrainer Thomas Tuchel.

Foto: Ronald Wittek

Dortmund. Großen Redebedarf hatte Thomas Tuchel am vergangenen Samstag nach der 1:2-Niederlage von Borussia Dortmund bei Eintracht Frankfurt nicht. Doch das, was der BVB-Cheftrainer nach der dritten Niederlage in der laufenden Saison der Fußball-Bundesliga äußerte, hatte es in sich. Technisch, taktisch und mental hätten seine Spieler versagt. Die pauschale Verbal-Keule des 43-Jährigen war überdeutlich und irritierte viele Beobachter. Das anfängliche Schweigen aus der Chefetage von Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wurde von einigen bereits als Anzeichen für eine handfeste zwischenmenschliche Krise beim Verein der „echten Liebe“ gewertet. Bis Watzke dem Trainer öffentlich den Rücken stärkte.

521 Tage ist der Fußballlehrer Tuchel beim BVB im Amt. Als Nachfolger des alles überstrahlenden Jürgen Klopp hat er den Spielstil bei den Schwarz-Gelben geändert. Vom Kloppschen Gegenpressing ging es in seiner ersten Saison zum Ballbesitz-Fußball á la Pep Guardiola. Platz zwei, Pokalfinale und Viertelfinale in der Europa League — eine gute Bilanz, wenngleich ein Titelgewinn am Ende ausblieb. In diesem Sommer hatte Tuchel es sich zum Ziel gemacht, einen hochtalentierten aber neu zusammengesetzten Kader schnellstmöglich auf das höchste Bundesliga-Niveau zu hieven. Mit wieder verändertem Stil. Schneller, mit vielen Steilpässen, Geschwindigkeits-Fußball. Die taktische Variabilität des BVB ist unter Tuchel zweifellos größer geworden.

Defizite hat im Spätherbst 2016 aber nicht nur das junge Team, das wohl erst in der Rückrunde sein ganzes Potenzial entfalten kann und dann muss. Mit der Art und Weise der Kritik an seinen zum Teil hochsensiblen Profis könnte sich Tuchel nachhaltig geschadet haben. Oft wurden ihm in der Vergangenheit Schwächen bei der Menschenführung vorgeworfen. Doch was ist, wenn die Kritik fruchtet? Letztlich ist der Fußball-Perfektionist Tuchel nur einer von vielen Trainern, die für den Erfolg auch unkonventionelle Wege einschlagen. Ein bisschen mehr Feingespür würde ihm dennoch nicht schaden.

„Die Spieler benötigen Zeit. Aber die hast du nicht, wenn du im Trikot von Borussia Dortmund steckst“, sagte Tuchel vor einigen Wochen in Bezug auf die Entwicklung des Kaders. Und genau das ist das BVB-Problem. Ein neu formiertes Team soll in der Liga unter den ersten Drei mitmischen und international so lange wie möglich mittanzen. Während der Club im DFB-Pokal sowie der Champions League im Soll liegt, hinken die Dortmunder in der Liga den Ansprüchen hinterher. Vor dem Heimspiel am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (15.30) steht Tuchels Team nur auf Platz sieben. Der Trainer muss den finalen Akt des Umbruchs nach den Abgängen von Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan lautlos vollziehen. Das Alltagsgeschäft Bundesliga leidet jedoch merklich darunter.

Bei der Pressekonferenz am Freitag sagte Tuchel auf den Grund für die harsche Kritik nach der Frankfurt-Pleite angesprochen: „Weil ich meine Mannschaft mag und weil ich jeden Tag mit ihr trainiere und weil ich weiß, welches Potenzial in uns steckt.“ Wenn das Team dies häufiger abruft, ist die schwarz-gelbe Welt bald wieder in Ordnung.

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