Sportjurist: „Richtiges Signal zur richtigen Zeit“

Berlin (dpa) - Martin Nolte ist der erste Rechtswissenschaftler mit einer eigenen Professur für Sportrecht in Deutschland. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa bewertete der Kieler Jurist das vom DFB-Sportgericht verhängte „Geisterspiel“ für den FC St. Pauli als „hart, aber fair“.

Wie bewerten Sie das Urteil? Ist es angemessen oder zu hart?

Nolte: „Ich finde es hart, aber richtig und fair. Und zwar deshalb, weil es sich nicht nur auf dem Boden der geltenden Regeln bewegt, die völlig mit dem staatlichen Recht im Einklang stehen, sondern weil es in seiner Wirkung gerichtet ist auf Generalprävention. Und ich meine, dass man hier zur richtigen Zeit das richtige Signal gesetzt hat. Es kann überhaupt nicht darauf ankommen, um was für einen Wurfgegenstand es sich handelt und wo der Unparteiische getroffen wird. Etwa nach folgender zynischer Wurfsport-Unart: Volltreffer Kopf, Halbtreffer Hals und Rumpf zählt gar nicht. Wenn man aber so differenziert und wenn man dort Unterscheidungen macht, braucht man sich nicht zu wundern, wenn das nächste Mal Schiedsrichter mit Glasflaschen am Kopf getroffen werden. Und deswegen meine ich, dass der Spielabbruch, in welcher Minute auch immer, nicht nur regelgerecht war, sondern vor allen Dingen richtig und solchen Auswüchsen entgegen stehen kann, wie wir sie bisweilen schon in anderen europäischen Ländern haben, die wir aber hier in Deutschland weder haben, noch haben wollen. Zero tolerance - das ist das Stichwort!“

Erhoffen Sie sich eine abschreckende Wirkung von dem Urteil?

Nolte: „Ja, Generalprävention bedeutet auch, dass für die Allgemeinheit und die anderen Fußball-Vereine klar ist, dass das oberste Gebot die Sicherheit der Beteiligten sein muss.“

Inwiefern haftet denn der Heimatclub in solchen Fällen?

Nolte: „Manche halten die Haftung des Heimatclubs für einen solchen Fanexzess für eine eigentümliche Regel des Sports außerhalb der geltenden Rechtsordnung. Das stimmt meiner Meinung nach nicht. Denken Sie nur an die Verkehrssicherungspflicht. Wenn wir einen Veranstalter eines Rockkonzerts haben, ist der natürlich verantwortlich dafür, dass die Bandmitglieder nicht Übergriffen von den Reihen der Zuhörer ausgesetzt sind.“

Was droht denn dem Becherwerfer?

Nolte: „Erstens ein strafrechtliches Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Dessen Ausgang, insbesondere die Verhängung einer Strafe ist aber ungewiss. Der Hammer könnte später kommen: Die zivilrechtlichen Regressansprüche vonseiten des 1. FC St. Pauli. Und der DFB wird dem Verein das auch empfehlen, diese Regressansprüche geltend zu machen.“

Hat denn St. Pauli die Möglichkeit, vor ein ordentliches Gericht oder gar vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu ziehen?

Nolte: „Der Fußball, der Deutsche Fußball-Bund, hat eine eigene Sportgerichtsbarkeit geschaffen, die mit hochqualifizierten und unabhängigen Juristen besetzt ist, die in ihrem Hauptberuf zumeist höhere Richter oder Staatsanwälte sind. Die zustande kommenden Entscheidungen befinden sich deshalb auf höchstem Niveau, so dass das Bedürfnis nach alternativer ordentlicher Gerichtsbarkeit nicht besteht. Ob der Weg zu den ordentlichen Gerichten überhaupt zulässig ist, darüber dürften sich Juristen streiten. Dieser Streit dürfte jedoch meines Erachtens angesichts der Qualität der Fußball-Sportgerichtsbarkeit nicht streitentscheidend sein.“

Haben Dauerkarteninhaber Anrecht auf eine Rückerstattung?

Nolte: „Nein, das dürfte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen sein.“

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