Rummenigge schließt Blitztransfer nach Boateng-Ausfall aus

München (dpa) - Der Ausfall von Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng trifft den FC Bayern München hart. Trotzdem schließt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge (60) aus, dass der deutsche Fußball-Meister auf den letzten Drücker einen Abwehrspieler verpflichten wird.

Rummenigge schließt Blitztransfer nach Boateng-Ausfall aus
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„Es gibt keinen guten Spieler, der auf dem Markt ist“, sagte Rummenigge im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Wie schwer ist Jérôme Boateng tatsächlich verletzt? Joachim Löw kündigte an, die EM-Tür bis zuletzt für den Weltmeister offen zu halten. Droht womöglich wirklich ein Saison-Aus beim FC Bayern?

Karl-Heinz Rummenigge: Er ist am Montag noch einmal untersucht worden von unserer medizinischen Abteilung - inklusive Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Die Untersuchung hat ergeben, dass es etwas weniger dramatisch ist als es zunächst aussah. Jérôme wird, da sind wir hoffnungsvoll, möglicherweise im letzten Drittel der Rückrunde dem FC Bayern wieder zur Verfügung stehen.

Wie hart trifft trotz dieses Hoffnungsschimmers der Ausfall des besten Abwehrspielers den FC Bayern?

Rummenigge: Jérôme ist ohne Frage ein sehr guter Abwehrspieler, der schon in den letzten Jahren eine wichtige Rolle bei uns gespielt hat im Defensivzentrum. Natürlich trifft uns das, wenn so ein Spieler ausfällt.

Müssen Sie die Saisonziele überdenken?

Rummenigge: Nein, das werden wir nicht. Wir haben gesagt: Unser Ziel ist es, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen, und das als erster Verein der Bundesliga zum vierten Mal nacheinander. Und im DFB-Pokal und der Champions League wollen wir eine gute Rolle spielen. Ich weiß, dass viele von uns jetzt, da Pep Guardiola uns im Sommer verlässt, das Triple erwarten. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute Rückrunde spielen werden. Aber ich empfehle, mit den Erwartungen der Öffentlichkeit etwas rationaler und gelassener umzugehen.

Wenn früher Leistungsträger dauerhaft ausfielen, forderte Guardiola stets Ersatz. Noch bis Montag ist das Transferfenster geöffnet. Werden Sie noch auf dem Markt zuschlagen?

Rummenigge: Wir haben uns mit dem Thema seriös auseinandergesetzt. Ich muss Ihnen sagen: Es gibt keinen guten Spieler, der auf dem Markt ist. Im Winter verkauft keine Mannschaft seine guten Spieler, speziell auf dieser Position. Und Notlösungen bringen einen am Ende des Tages nicht weiter. Dementsprechend werden wir nichts machen.

Sie setzen also auf das vorhandene Personal?

Rummenigge: Wir werden mit unseren Innenverteidigern Badstuber, Martínez und Benatia, der auch in den nächsten zwei Wochen zurückkommen wird, sowie den taktischen Fähigkeiten, die Pep Guardiola als Trainer sehr oft unter Beweis gestellt hat, die Saison spielen. Wir verfallen nicht in Hysterie.

Philipp Lahm hat als Kapitän nicht zu Unrecht auf die Verletzungsgeschichten gerade von Holger Badstuber und Javi Martínez hingewiesen. Wie groß ist das Risiko, das Sie eingehen?

Rummenigge: Wenn es etwas auf dem Markt gegeben hätte, was dem Qualitätsanspruch des FC Bayern gerecht geworden wäre, hätten wir uns damit befasst. Aber nur irgendetwas zu machen, um die Hysterie zu befriedigen, haben wir alle abgelehnt. Ich empfehle jetzt, nicht zu lamentieren, sondern Holger Badstuber, Javi Martínez und Medhi Benatia zu vertrauen und zu unterstützen.

Wer ist nun besonders gefordert? Der Trainer? Die Mannschaft? Einzelne Spieler?

Rummenigge: Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir alle in Ruhe an die Aufgabe herangehen. Jérôme Boateng wird uns über einige Monate nicht zur Verfügung stehen. Aber wir haben immer noch einen Kader, der es total in sich hat. Wir werden intern die Kräfte bündeln, wie sich das beim FC Bayern oft bewährt hat. Ich bin überzeugt, dass wir gute Aussichten haben, unsere Ziele trotzdem zu erreichen.

Haben Sie eine Erklärung für die vielen Muskelverletzungen beim FC Bayern? Auch über Pep Guardiolas Training, über einen frühen Einsatz von Spielern nach Verletzungen wird dabei heftig diskutiert.

Rummenigge: Es gibt eine Analyse, die ich bei der UEFA einsehen konnte: Es fällt auf, dass speziell bei den Topclubs die Spieler in einer gewissen Häufigkeit ausfallen, Tendenz steigend. Bei Real Madrid hat es in der Hinrunde 16 Muskelverletzungen gegeben - 16! Die Spieler sind einfach total überfordert. Die UEFA und die FIFA sind gefragt, die Quantität und die Qualität ihrer Länderspiele zu überdenken. Wir haben seit 25 Jahren eine Zunahme der Länderspiele und Wettbewerbe. Das ist Fakt. Es kommt ein Nations Cup neu hinzu, es gibt einen Confederations Cup, an dem unsere Nationalmannschaft 2017 als Weltmeister teilnehmen wird. Den gab es früher auch nicht. Jetzt wird bei der FIFA über eine Weltmeisterschaft mit 40 Nationalmannschaften diskutiert.

Was fordern Sie?

Rummenigge: Es ist der Zeitpunkt gekommen, die Clubs zu entlasten. Die Bundesliga hat seit sehr langer Zeit stabile 34 Spieltage. Wir haben eine zweite Gruppenphase in der Champions League abgeschafft und sind so von 17 auf 13 Spiele heruntergekommen. Ich vermisse den Goodwill bei den Verbänden. Speziell bei der FIFA, aber auch UEFA. Auch in der Diskussion um Boateng höre ich immer nur DFB, DFB, Europameisterschaft. Ich muss klar und deutlich sagen: Ich empfehle dem DFB, sich hier klar zurückzuhalten.

Was passiert sonst?

Rummenigge: Sonst wird es mit dem FC Bayern Stress geben. Der FC Bayern ist der Vertragspartner von Jérôme Boateng und hat damit hier die Lufthoheit - und nicht der DFB. Mario Götze hat sich vor vier Monaten in einem Länderspiel verletzt, steht bis heute noch nicht wieder zur Verfügung. Wir haben auf Bastian Schweinsteiger 2014 nach der Weltmeisterschaft fünf Monate verzichten müssen. Die Verbände müssen Rücksicht auf die Gesundheit der Spieler nehmen.

Badstuber könnte Boateng auch im Nationalteam ersetzen. Würden Sie sich wünschen, dass der Bundestrainer ihn nicht schon bei den Länderspielen Ende März wieder nominiert?

Rummenigge: Man muss auch damit einfach sensibel umgehen. Wir alle würden uns freuen, wenn Holger zum Kader der EM zählt. Aber alles, was auf dem Weg dorthin mit Holger passiert, kann nur in totaler Abstimmung mit dem Club geschehen.

Der Rückrundenstart ist mit dem Sieg in Hamburg gelungen. Schon in vier Wochen kommt es zum Ernstfall in der Champions League gegen Juventus Turin, das gerade in Italien den elften Ligasieg in Serie feierte. Wird Ihnen angst und bange vor dem Achtelfinale?

Rummenigge: Es war von Anfang an klar, dass das ein schwerer Gegner ist. Juve hat nicht zufällig im vergangenen Jahr im Champions-League-Finale gestanden. Wir haben Respekt vor Juve. Es ist wichtig, dass wir in den nächsten Wochen in die beste Verfassung kommen. Ich habe großes Vertrauen zu Pep Guardiola und der Mannschaft.

Auch Borussia Dortmund ist mit einem Sieg in Gladbach erfolgreich in die Rückrunde gestartet. Betrachten Sie den BVB noch als Titelkonkurrenten?

Rummenigge: Wir haben acht Punkte Vorsprung, dazu das bessere Torverhältnis. Das ist ein Polster. Aber natürlich haben wir auch Respekt vor Borussia Dortmund. Es ist wichtig für die Bundesliga, dass ein zweiter Club neben Bayern München gut von der Performance dasteht.

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