Nach Skandalspiel: Düsseldorf und Hertha trainieren

Frankfurt/Main (dpa) - Warten, hoffen, bangen: Für Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC ist es das längste Wochenende der Vereinsgeschichte, für den deutschen Fußball eine einmalige Hängepartie.

Nachdem das DFB-Sportgericht die Urteilsverkündung im Relegations-Skandalspiel von Düsseldorf auf verschoben hat, üben sich beide Parteien in Zweckoptimismus. Derweil hat die Fortuna seine Mallorca-Reise abgesagt und trainiert wieder. Die Berliner entschuldigten sich für die Entgleisungen gegenüber Schiedsrichter Wolfgang Stark. Das Verhalten einiger Spieler entspreche nicht den „Grundsätzen“ des Clubs, hieß es in einer Vereinsmitteilung.

Nach der sechseinhalbstündigen Verhandlung in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main hatten am Freitagabend alle Beteiligten sichtlich geschafft den Saal geräumt. „Wir wollen die Sache nicht übers Knie brechen“, sagte der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz, bevor er sich auf den Weg zum letzten Flieger nach München machte. Der 60-Jährige betonte aber ausdrücklich, dass man den Prozessverlauf trotz des „ungeheuren Zeitdrucks“ nicht von Flugplänen abhängig mache. „Ich denke, der Einspruch von Hertha BSC war unbegründet“, sagte Fortuna-Rechtsanwalt Horst Kletke. Berlins Präsident Werner Gegenbauer meinte: „Wir werden jetzt optimistisch der Entscheidung harren.“

Während die anderen Erst- und Zweitliga-Profis längst im Urlaub sind und die heiße Transferphase ansteht, sitzen Hertha und Fortuna möglicherweise noch länger im Wartesaal zur neuen Saison. Denn mit dem Urteilsspruch am Montag ist die juristische Aufarbeitung des Relegationsrückspiels (2:2) vom vergangenen Dienstag noch nicht beendet. Beide Clubs können vor das DFB-Bundesgericht ziehen, das dann ebenfalls noch nächste Woche tagen soll. Zudem stehen die Verfahren gegen die beiden Clubs wegen der Zuschauerausschreitungen an und gegen die Hertha-Profis Lewan Kobiaschwili, Thomas Kraft, Christian Lell und Andre Mijatovic sowie den Düsseldorfer Spieler Andreas Lambertz.

Anton Nachreiner, Vorsitzender des Kontrollausschusses, plädierte dafür, den Einspruch der Berliner gegen die Spielwertung zurückzuweisen. Schiedsrichter Stark hatte die Nachspielzeit für 21 Minuten unterbrechen müssen, weil Tausende von Fortuna-Fans den Platz gestürmt hatten. Hertha versuchte in der Verhandlung mit aller Macht zu beweisen, dass die restlichen 1:33 Minuten unter irregulären Bedingungen stattfanden und die Spieler schlichtweg Angst hatten. In seinem leidenschaftlichen Schlussplädoyer forderte Anwalt Christoph Schickhardt das Gericht dazu auf, „den DFB vor Verrohung, Gewalt und Anarchie zu schützen“.

Selbst wenn der Hauptstadtclub ein Wiederholungsspiel (unter Ausschluss der Öffentlichkeit?) bekäme - was DFB-intern als unwahrscheinlich gilt - kann er sich nicht als Gewinner fühlen. Denn was in den Katakomben des Stadions nach diesem schlagzeilenträchtigen Spiel ablief, beschrieb WM-Referee Stark als „Hetzjagd“ und dürfte den Berlinern noch deftige Strafen einbringen: Hertha-Spieler hätten ihn in massiver Weise bedrängt und beleidigt, Kobiaschwili habe ihn sogar geschlagen. Bei Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter sind Sperren von sechs Monaten bis zwei Jahren vorgesehen, in leichteren Fällen von mindestens acht Wochen. Der 34-jährige Georgier hat sich dazu bisher nicht geäußert, Stark stellte auch Strafanzeige.

„Nach den Angaben des Schiedsrichters soll es dabei innerhalb einer verständlicherweise allseits emotionalisierten Atmosphäre auch zu Beleidigungen und anderen, zum Teil schwerwiegenden Unsportlichkeiten gekommen sein. Wir entschuldigen uns deshalb bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei den Schiedsrichtern“, teilte Hertha mit. Einzelheiten seien noch aufzuklären.

Die verbalen Scharmützel sind erst einmal ausgesetzt: Beide Vereine halten sich vor dem Urteilsspruch zurück, damit das Gericht nicht den Eindruck gewinnt, es werde über die Öffentlichkeit Druck gemacht. Hertha-Manager Michael Preetz sagte nach der Verhandlung gar nichts, Clubchef Gegenbauer („Wir sollten nicht in Einzelheiten gehen und alle gemeinsam abwarten“) äußerte sich nur diplomatisch und wollte auch nicht Starks Vorwürfe gegen seine Spieler kommentieren: „Das ist das zweite Thema, jetzt machen wir erstmal das erste Thema.“ In der Nachspielzeit von Düsseldorf, so Fortuna-Rechtsbeistand Kletke, sei niemand behindert worden: „Die Zeugen, die Hertha hier hatte, haben solche Ängste nicht bekundet.“

Während die Berliner schon am Freitag trainierten, nahmen die Düsseldorfer am Samstag den Übungsbetrieb wieder auf. Die von diesem Sonntag an geplante fünftägige Saisonabschlussreise nach Mallorca wurde abgesagt. „Wir haben diese Maßnahmen beschlossen aus Respekt vor der Unabhängigkeit der DFB-Gerichtsbarkeit und dem Umstand, dass das Urteil am Montag verkündet wird“, sagte Manager Wolf Werner. Auch am Sonntag und Montag sollen unter komplettem Ausschluss der Öffentlichkeit in Düsseldorf trainiert werden.

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