Michael Ballack: Bayer Leverkusens Liebhaberstück

Die Reintegration Michael Ballacks in Leverkusen ist eines der spannenden Projekte dieser Rückrunde.

Leverkusen. Die rot-schwarze Pudelmütze ist der Fixpunkt im Leverkusener Trainingswinter. Ihr Besitzer gibt Kommandos, sucht, dem Trainingsspiel eine — seine — Organisation zu geben, dirigiert lautstark. Nur die Laufleistung Michael Ballacks bleibt überschaubar, hin und wieder zieht er im Zweikampf zurück, während die jungen Konkurrenten Lars Bender und Arturo Vidal um ihn herum und an ihm vorbei wieseln, als finde das Spitzenspiel der Bundesliga gegen Borussia Dortmund (Freitag, 14.01.2011, 20.30 Uhr) schon jetzt auf diesem Rasen an der Ulrich-Haberland-Halle statt.

90 Minuten später sitzt Jupp Heynckes im Presseraum der BayArena. Es vergehen zwölf Minuten Gespräch mit Geplänkel: Dortmund hier, Leverkusen da, kurze Winterpause, alle fit. Dann fragt einer nach Michael Ballack. Der Kapitän ist nach einem Dreivierteljahr von Verletzungen und moralischen Tiefpunkten genesen und beschwerdefrei. Er trainiert, er hat im Sommer etwa 15 Millionen Euro gekostet, kam als Kapitän der Nationalmannschaft vom FC Chelsea. Er wollte Strahlkraft aus sich holen und über Bayer Leverkusen bringen. Ein Spiel gegen Tabellenführer Borussia Dortmund, könnte man meinen, wäre ein guter Anlass zur Rückkehr dieses Häuptlings.

Aber Jupp Heynckes lächelt diese Ansprüche weg. Als habe er eine Wand um sich gebaut. Nichts bläst die in den letzten Jahren gewonnene Souveränität dieses Trainers hinfort. „Wir wissen alle, dass er eine hohe fußballerische Qualität hat“, sagt Heynckes, „aber die Physis gehört auch dazu. Er ist weiter, als nach seiner ersten Verletzung. Aber es ist wichtig, dass er realistisch ist.“ Realstisch heißt für Ballack: warten.

Nichts hält den 65-jährigen Heynckes davon ab, in Ballack einen seiner Spieler zu sehen — aber eben nicht den Spieler. Der diplomatischen Altersmilde ist der Trainer unverdächtig. Schon Nationalspieler Simon Rolfes musste das erfahren, als er nach langer Verletzung mit Kurzeinsätzen in Form gebracht wurde, obwohl er sich längst als Stammspieler für 90 Minuten fühlte. Rolfes ist inzwischen zurück zur Topform und könnte dem notorisch ehrgeizigen Ballack in diesen Tagen als Vorbild dienen.

Aber Rolfes ist auch Ballacks Positions-Konkurrent. Wie Arturo Vidal, wie Lars Bender, wie Hanno Balitsch. Das Bayer-Ensemble ist auf der Position des 34-jährigen von hoher Qualität und Quantität. Heynckes lobt an diesem Tag in Leverkusen Bender über den grünen Klee, und nennt Vidal einen „der besten Spieler der Hinrunde“. Rolfes ist ohnehin gesetzt, Bender oder Vidal, einer muss draußen bleiben. Wo nur soll Michael Ballack in diese Mannschaft zurückfinden?

Die Menschen werden immer älter, aber die Fußballer immer jünger. Die Qualität der Ausbildung steigt, die Anforderungen an die Physis in gleichem Maße. Ältere Spieler haben es immer schwerer, Routine als Gut verkommt. Es geht an diesem Tag fast unter, aber Michael Ballack darf trotzdem morgen auf ein Comeback hoffen, wenn Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne sitzt. Er könne über die emotionale Schiene diesem Spiel noch etwas geben, sagt Heynckes. „Über einen Kurzeinsatz.“

Das ist Ballacks Chance: Diesem hochklassigen Team mit seiner Führungsstärke, seiner Emotionalität die Siegermentalität einzuhauchen, die Bayer so oft vermissen ließ. Den Wohlfühlkosmos aufbrechen. Für Momente zunächst, bei Erfolg vielleicht länger. Ein zäher Weg. Wenn man Ballack heißt.

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