Drama um Rafati - Offenbar kein Fremdverschulden

Köln (dpa) - Die Bundesliga, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) stehen nach dem Suizidversuch von Schiedsrichter Babak Rafati unter Schock.

Der sichtlich bestürzte und erschütterte DFB-Präsident Theo Zwanziger erklärte auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Köln, Fremdverschulden sei ausgeschlossen. „Es sind entsprechende Notizen gefunden worden“, sagte Zwanziger. Nach Informationen des DFB-Chefs haben Rafatis Assistenten Patrick Ittrich, Holger Henschel und Frank Willenborg ihrem Kollegen das Leben gerettet.

„Es war sehr viel Blut zu sehen“, schilderte der sehr bewegte Zwanziger den ihm übermittelten Sachverhalt. Rafati sei nicht zum vereinbarten Zeitpunkt mit seinen Kollegen zusammengetroffen. Daraufhin wurde das Zimmer des 41-jährigen Rafati geöffnet. Der Unparteiische sei in der Badewanne aufgefunden worden. Nähere Einzelheiten wollte Zwanziger nicht bekanntgeben. Der Gesundheitszustand Rafatis soll sich nach Zwanzigers Erkenntnissen „schnell stabilisieren“.

Die Nachricht von der Absage des Spiels zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 sorgte für einen Schock, die übrigen Spiele um 15.30 Uhr fanden aber wie geplant statt. Auch in Köln sollte eigentlich noch angepfiffen werden, da in der Kürze der Zeit aber kein Ersatzteam einspringen konnte, wurde das Spiel 40 Minuten vor Beginn abgesagt.

Zwanziger wurde unmittelbar nach Bekanntwerden der Hintergründe informiert. Rafati habe sich am Abend davor noch völlig normal verhalten, erläuterte der DFB-Chef. Doch sei der immer überpünktliche Unparteiische am Morgen nicht, wie vereinbart, zum gemeinsamen Frühstück erschienen und auch später nicht zur Vorbesprechung gekommen. Dann wurde sein Zimmer geöffnet. Das Eingreifen der drei Assistenten hat laut Zwanziger entscheidend dazu beigetragen, dass Rafati gerettet werden konnte. Das sei ihm auch von der Kriminalpolizei so bestätigt worden.

Aus dem Lagezentrum der Polizeidirektion Hannover wurde auf Nachfrage bestätigt, dass Beamte die Lebensgefährtin des 41-jährigen Rafati über den Selbsttötungsversuch informieren sollten.

Aus Kölner Polizeikreisen hieß es, möglicherweise habe gar keine Lebensgefahr bei Rafati bestanden. Man habe bei dem Einsatz in dem Hotel in Köln-Deutz eine verletzte Person gefunden. Die Situation habe sich als Suizidversuch dargestellt. Bei dieser Person habe es sich um den Schiedsrichter der Partie Köln gegen Mainz gehandelt. Diese Person sei außer Lebensgefahr, hieß es.

Der Kölner Sportdirektor Volker Finke und der Mainzer Manager Christian Heidel sprachen von einem Unfall im Hyatt-Hotel, wo neben dem Schiedsrichter-Team um Rafati auch die Mainzer Mannschaft untergebracht war. „Da ist irgendwas passiert“, sagte Heidel kurz vor Beginn der Partie im RheinEnergieStadion. Die Polizei bestätigte nur einen Einsatz in dem Hotel um 13.45 Uhr, teilte aber zunächst nichts Näheres mit.

Rafati gehört laut DFB seit 1997 zum DFB-Kader und hat seit 2005 bereits fast 100 Bundesligaspiele geleitet. Seit 2008 steht Rafati auch auf der Liste des Fußball-Weltverbandes FIFA.

Zwanziger sagte einen geplanten Besuch beim EM-Qualifikationsspiel der Frauen gegen Kasachstan in Wiesbaden ab, um sich in Köln persönlich ein Bild über die Hintergründe zu machen.

„Liebe Fans! Aus wichtigen Gründen muss die heutige Partie leider ausfallen. Wir bitten um Ihr Verständnis“ - mit dieser Information wurden die Besucher wieder nach Hause geschickt. Kölns Sportdirektor Finke sagte auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz: „Es ist angemessen und richtig, dass wir nicht in Details rumstochern. Alles weitere übernimmt die Presseabteilung des DFB und der DFL.“

Der gastgebende FC könne nur bekanntgeben, „dass das Spiel durch einen Unfall nicht stattfindet. Es ist nicht vom 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 entschieden worden. Ich kann keine weiteren Details sagen.“ Im nur teilweise besetzten Stadion gab es vereinzelt Pfiffe und Buh-Rufe. „Wir hätten gern ein schönes Fußballfest gefeiert“, erklärte Kölns Stadionsprecher Michael Trippel.

Die Kölner Mannschaft wurde von Cheftrainer Stale Solbakken informiert. Die Profis verließen die Arena, in der zwischen 46 000 und 48 000 Zuschauer erwartet worden waren. Zum Zeitpunkt der Absage war das Stadion aber nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Die Fans machten sich in Ruhe und Gelassenheit auf den Heimweg.

Ausgeschlossen ist eine kurzfristige Neuansetzung der Begegnung schon an diesem Sonntag oder am kommenden Dienstag. Das sei schon aus logistischen Gründen nicht umsetzbar „bei 50 000 Fans, die da kommen wollen“, erläuterte Heidel. Er und die Kölner Verantwortlichen wurden von der Deutschen Fußball Liga (DFL) und DFB informiert.

Der Trainer von Hannover 96, Mirko Slomka, zeigte sich vor dem Spiel beim VfL Wolfsburg geschockt und sagte im TV-Sender „Sky“: „Ich bin nicht über Einzelheiten im Detail informiert. Ich bin sehr geschockt, zumal Babak Rafati Hannoveraner ist und ich ihn sehr gut kenne.“ Werde ein Spiel abgesagt, müsse etwas Dramatisches vorgefallen seien. „Das ist schockierend und erschütternd. Aber wir sollten uns jetzt davor hüten, Dinge zu vermengen, bevor wir nichts Genaues wissen“, meinte Schalke-Manager Horst Heldt.

„Ich muss mich erstmal sammeln, er war ja jahrelang in meinem Team“, sagte Ex-Bundesliga-Referee und Schiedsrichterbeobachter Uwe Kemmling aus Burgwedel bei Hannover. Markus Merk, Ex-FIFA-Referee, stellte fest: „Ich bin unglaublich persönlich betroffen. Es betrifft den ganzen Fußball. Ich wünsche mir nur eines: Babak Rafati alles Gute.“

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