Abseilen, Paddeln - Bundesliga setzt auf Teambuilding

Frankfurt/Main (dpa) - Sie backen in der Wildnis Brot über dem Lagerfeuer, fahren mit Luftkissenbooten in der Gegend herum und seilen sich von Staumauern ab. Die Spieler der Fußball-Bundesliga sind während der Saison-Vorbereitung längst nicht mehr nur mit Kicken und Konditionstraining beschäftigt.

Zahlreiche Vereine setzen auf Außergewöhnliches - Teambuilding heißt das Zauberwort. „Der Gedanke dahinter ist, dass eine Mannschaft mit einem hohen Zusammenhalt eine bessere Leistung bringt“, sagt Jeannine Ohlert, Sportpsychologin von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Eine beliebte Methode, um diesen Zusammenhalt zu provozieren, sei etwa, eine Mannschaft unter Stress zu setzen. „Es wird auch mit existenziellen Ängsten gespielt, die eine Gruppe zusammenschweißen können.“

Der Hamburger SV etwa, zuletzt nicht gerade ein Hort der Harmonie, zog für vier Tage in ein sogenanntes Überlebens-Camp nach Skandinavien. Es herrschte Handy-Verbot, Strom und fließendes Wasser waren Fehlanzeige, das Team musste sich selbst versorgen.

Mediendirektor Jörn Wolf, der als einziger moderne Kommunikationsmittel benutzen durfte, umschrieb das so: „Die Abwehr ist für die Verpflegung zuständig. Jeder bekommt vier Fruchtschnitten. Manche tauschen Apfel gegen Banane-Erdbeere oder Waldfrucht gegen Kirsch.“

In solchen Situationen können Konflikte entstehen, was nach Meinung der Sportpsychologin Ohlert nicht unbedingt ein Problem ist. „Man sagt, dass Konflikte in der Vorbereitung für eine Mannschaft gar nicht schlecht sind.“ Jeder Spieler versuche, seinen Platz zu finden. „Das ist eine Phase, die sowieso zu Konflikten führt, es wird immer Rangeleien um die Hierarchie geben.“ Es gehe vielmehr darum, sie vor der Saison abzuhaken.

Bei Meister Dortmund streiften sich die Kicker hierfür in der Schweiz Klettergeschirr und Neoprenanzug über, ab ging's zum Canyoning. Dabei seilte sich das Team unter anderem an einer knapp 40 Meter hohen Staumauer ab. „Der schlimmste Moment ist der, wenn man sich rückwärts über die Kante fallen lassen muss“, befand Abwehrspieler Chris Löwe. Felipe Santana soll auf halber Strecke nach eigener Aussage sogar Angst um sein Leben gehabt haben.

Erzrivale Schalke setzte derweil auf motorisierten Spaß und schickte sein Personal zum Fahrsicherheitstraining. In Hannover orderte 96-Trainer Mirko Slomka 240 PS starke Luftkissenboote, mit denen Jan Schlaudraff und Co. über einen Trainingsplatz rasten. „Mit Vollgas in die Zukunft“, resümierte Slomka. Einen Vierkampf aus Laufen, Kajakfahren, Paddeln im Kanadier und Schwimmen gönnte sich der FSV Mainz 05 in der Pfalz. Interner Sieger: Torwart Heinz Müller.

Bei den Rheinhessen hat Teambuilding geradezu Tradition, hier setzte Trainer Wolfgang Frank als einer der Vorreiter schon Ende der 90er Jahre in der zweiten Liga auf mentales Training samt Hypnose. Ein paar Kilometer rheinabwärts bei Bayer Leverkusen ließ Christoph Daum vor der Saison 1999/2000 seine Profis über Scherben laufen.

Bei aller Euphorie um das Teambuilding betont Freiburgs Trainer Christian Streich, dass er den Begriff nicht mag. Der 47-Jährige spricht lieber von einem Ausflug - und der führte den SC in diesem Sommer zu einer Paddeltour in Österreich. Grundsätzlich könnten solche Maßnahmen einen Abstieg aber kaum verhindern, sagt Streich.

Auch für Ohlert von der Sporthochschule ist ein einmaliges Teambuilding keine Garantie für Erfolg. „Die ideale Variante ist, vorher eine Teamdiagnostik zu machen und zu schauen, wo das Team noch Verbesserungspotenzial hat - beim Zusammenhalt, der Kommunikation oder der Identifikation mit dem Verein.“

Zahlreichen Anbietern fehle aber der theoretische Hintergrund. „Für eine nachhaltige Wirkung sollte man langfristig mit einem Sportpsychologen zusammenarbeiten. Viele Vereine leisten sich das nicht“, sagt die Expertin. „Ich habe das Gefühl, Teambuilding erfolgt oft noch theoriefrei, nach dem Motto: Wir machen mal eine schöne Maßnahme und alles ist gut.“

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