WM 2018 ohne Italien und Niederlande Fußball-WM 2018: Keine Schlachten in Blau und Oranje

Niederlande, Italien, USA, Ghana, Chile und andere: Große Fußball-Nationen fehlen im Sommer bei der WM in Russland. Jetzt ist die Frage: Wer freut sich auf Panama gegen den Iran?

Italien ist am Boden zerstört. Nach 60 Jahren ist der mehrmalige Weltmeister nicht in Russland dabei.

Italien ist am Boden zerstört. Nach 60 Jahren ist der mehrmalige Weltmeister nicht in Russland dabei.

Foto: Luca Bruno

Düsseldorf. Pizza Verliera oder Pizza Quattro Problemi — was der gemeine Fußball-Fan seit Italiens WM-Aus (ohne die Bühne Russland jemals betreten zu haben) alles imaginär zu bestellen bereit ist, drückt dem Feinkost-Italiener seines Vertrauens gewaltig auf die Tränendrüse. Erst Wehklagen in Chile und den Vereinigten Staaten, dann in den Niederlanden und Italien: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland mag ein Fest werden — aber gern gesehene Stammgäste werden fehlen. Und der Rest der Bagage, der im Sommer zwischen Moskau, St. Petersburg, Wolgo- und Kaliningrad hin und her jettet, wird womöglich viel weniger hämisch denn eher traurig auf den verlustig gegangenen Nationalstolz der Anderen blicken.

Dick Advocaat, der Trainer der niederländischen Nationalmannschaft, zieht Konsequenzen aus dem Debakel und kündigt am 8.11. seinen Rücktritt an.

Dick Advocaat, der Trainer der niederländischen Nationalmannschaft, zieht Konsequenzen aus dem Debakel und kündigt am 8.11. seinen Rücktritt an.

Foto: Joel Marklund

Mit dem Stammgast wächst man auf, man erlebt und erleidet zusammen, teilt Geschichte und Geschichten — und plötzlich ist er weg. Wenn uns der Gelehrte auch lehrt, im Fußball seien Begriffe wie Schlachten und Helden viel zu martialisch, winken wir locker ab und rufen inbrünstig: Was waren das für Schlachten! 1990 gegen die Niederlande im Achtelfinale, mit spuckenden Rijkaards und famosen Buchwalds. 2006 gegen Italien im Halbfinale, mit einem in Ehrfurcht verstummten Publikum in Dortmund und deutschem Tränenfluss nach verlorener Verlängerung — 0:2. Beispiele nur, aber was für welche! Und Italien? Weltmeister 2006!

Der vielleicht beste Einfall in Zeiten, in denen ein stolzer italienischer Nationaltorwart wie Gianluigi Buffon am Montagabend bittere Tränen in Mailand weinen muss und die USA sich seit Wochen fragen, wie das denn nun geschehen konnte, wo man doch gerade eine Macht geworden war, kommt jetzt aus den: USA. Dort plant der Fußball-Verband, dessen Team am Ende nach einer Pleite gegen Trinidad und Tobago (trotzdem nicht dabei!) und Platz fünf in der Nord- und Mittelamerika-Qualifikation scheiterte, eine „WM der Enttäuschten“.

Mit jenen großen Fußball-Nationen, die Russlands Staatschef Putin eben nicht die Ehre geben und stattdessen kurz vor dem WM-Termin (14. Juni bis zum 15. Juli) eine eigene kleine Serie spielen wollen. Oder sollen. Was für eine depressive Angelegenheit. Neben den USA als Gastgeber könnten dann Italien, die Niederlande, Chile oder auch das vom Erfolg in Afrika durchaus verwöhnte Ghana als prominenteste Vertreter dabei sein. Eine Gruppe wäre das, vor der bei der WM mancher vor Ehrfurcht erstarren würde. Muss er aber nicht. Die faulen Äpfel sind aussortiert.

Aber sind das alles faule Äpfel? Die „Süddeutsche Zeitung“ attestierte der kommenden WM ob des Aderlasses mindestens „eine Pigmentstörung“. Ohne strahlendes Blau und Orange (besser: Oranje). Aber: Die Italiener hatten im Play-off-Duell mit Schweden in zwei Spielen nicht ein einziges Tor geschossen. So wurde die WM erstmals seit 60 Jahren verpasst. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass von Italien bei Weltmeisterschaften seit dem Titel 2006 nicht mehr viel kam: Vorrunden-Aus 2010 in Südafrika, ebenso 2014 in Brasilien. Böse Stimmen behaupten, für sechs WM-Spiele seit 2006 müsse man nun wirklich nicht ein solch tränenreiches Drama aufführen. Mamma Mia. Und: Die Niederlande hatten es nicht einmal in die Ausscheidungsspiele geschafft in der Gruppe mit famosen Franzosen und bienenfleißigen Schweden.

Chile, zuletzt zweimal Südamerika-Meister und die größte Verheißung Südamerikas — was unter anderem Joachim Löw seinerzeit veranlasst hatte — alle Spione gen Chile zu entsenden, um den angeblichen Fußball der Zukunft zu entschlüsseln — verpasste einen der ersten fünf (!) Plätze in der Qualifikation. Da fault mancher Apfel eben doch von innen. Und die Frage ist erlaubt, ob jene Eleven bei dem WM-Turnier in Sommer nicht doch nur faule Beilage gewesen wären. Wer dabei ist, ist dabei — und hat es sich eben auch verdient. Wer freut sich nicht auf den Klassiker Island gegen Senegal. Oder Peru gegen Costa Rica. Ach nein, besser: Panama gegen den Iran. Garantiert atomfreie Spiele unter dem Dach des Zaren Putin. Wir freuen uns. Wer noch?

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