Fußball: Wembley-Stadion - Mythos durch Bauwerk ersetzt

Am Samstag wird das neue Wembley-Stadion durch ein U 21-Freundschaftsspiel zwischen England und Italien eröffnet.

London. In deutschen Ohren klingt Wembley immer ein wenig nach Betrug, nach einem Tor, das keines war. Für Engländer ist Wembley der Ort ihres größten fußballerischen Triumphs, dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1966 - mit einem Tor, das gegeben wurde. Im Wembley-Stadion waren auch die Olympischen Sommerspiele zu Gast, Michael Jackson und Queen. Vor allem aber war es alljährlich Schauplatz des FA-Cup-Finales, das womöglich mit noch größeren Emotionen begleitet wurde, als die Spiele der Nationalmannschaft.

So war es schon bei der Premiere im Jahr 1923, als Bolton auf West Ham United traf. Damals stürmten 200 000 Menschen ein Stadion, das für halb so viele Zuschauer ausgelegt war. Dem Polizisten George Scorey auf seinem Schimmel "Billy" gelang es, die Massen vom Spielfeld zurückzudrängen, die Partie konnte mit fast einstündiger Verspätung beginnen. Dass Bolton mit 2:0 gewann, mag seither ein wenig in Vergessenheit geraten sein, doch das "White Horse Final" gehört zu jenen Legenden, die das alte Wembley ausmachten.

Heute wird es wohl keinen Sturm auf das neue Stadion geben, aber immerhin waren die 60 000 Karten, die zum ersten Probelauf ausgegeben wurden, binnen Stunden verkauft, und das dürfte wohl nicht allein mit dem Interesse an einem U 21-Freundschaftsspiel zwischen England und Italien zu erklären sein. Fünf Jahre sind vergangen, seit die Bulldozer die berühmte Arena gefressen haben. Fünf Jahre, in denen die Kosten für den Neubau stetig anstiegen. Fünf Jahre, in denen die Eröffnung ein ums andere Mal verschoben, das Pokalfinale immer wieder ins Millennium-Stadion in Cardiff verlegt wurde.

Mit jeder Verzögerung, jeder Panne wuchs der Unmut in der britischen Presse, und größer als der Unmut ist nur das Verzeihen. "Das Warten hat sich gelohnt", sagt der "Guardian" und schwärmt von einer der schönsten Arenen der Welt. Der Anblick ist in der Tat spektakulär, schon von weitem sieht man den Gitterbogen, der das neue Stadion überwölbt. Er macht Wembley unverkennbar, als Teil des Stadtbildes - und bei jeder Fernsehübertragung.

Selbstverständlich lässt sich das Dach schließen, wenn Regen vorausgesagt ist, doch letzte Woche schien die Sonne. Auch ließ sich nicht überprüfen, ob das Stadion tatsächlich seinen eigenen Lärm schluckt: Von den 90 000 Plätzen waren beim Testlauf am vergangenen Samstag nur die Hälfte besetzt, und die Besucher verhielten sich untypisch still. Vielleicht war es die Ehrfurcht - oder die Enttäuschung.

Stadion: Die neue von Stararchitekt Norman Forster entworfene Wettkampfarena ist doppelt so groß und viermal so hoch wie das alte Stadion. Der höchste Punkt ist der 133 Meter hohe Gitterbogen, der sich über das neue Wembley wölbt. Der Bau dauert fünf Jahre und verschlang statt der von der australischen Baufirma Multiplex ursprünglich veranschlagten 330 rund 800 Millionen Pfund (1,2 Milliarden Euro).

Innenausstattung: Die fünf Ebenen sind innen weitläufig und licht gestaltet und in Grau, Silber, Weiß gehalten - für Farbe sollen hier die Fans sorgen. Draußen leuchten die Plastiksitze in Knallrot, an den Stirnseiten zieht sich jeweils ein blauer "Wembley”-Schriftzug über die Stuhlreihen. Die 90 000 Zuschauer haben auf den Sitzen mehr Beinfreiheit und sitzen näher am Spielfeld.

Weltrekord: Das neue Stadion preist sich wie ein Messezentrum an, wirbt mit Suiten, Vip-Lounges und Konferenzräumen Es bietet 2900 Parkplätze, 500 Busparkplätze, beherbergt 688 Imbissbuden und außerdem 2618 Toiletten, das ist Weltrekord.

Termine: Im Mai steht das Pokalfinale an und im August ist die deutsche Nationalmannschaft zu Gast.

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