Fußball: Taktikschulung mit Jogi

In Düsseldorf tagt der Bundestrainer mit den Kollegen aus der Liga. Seine Elementarkritik am deutschen Fußball gilt jetzt offiziell als konstruktiv.

Düsseldorf. Wenn Joachim Löw nicht ein gerüttelt Maß an Sturheit hinzugewonnen hätte, seit er Trainer der Nationalmannschaft ist, hätte er wohl nicht nur ein Autoritätsproblem - sondern auch viele Freunde in der Fußball-Bundesliga hinzugewonnen. So aber besteht der Bundestrainer immer mal wieder in aller Öffentlichkeit auf seine deutsche Fußball-Wahrheit, und die sieht selten euphorisch aus und schon gar nicht unkritisch, wie sie die Verantwortungsträger in der Bundesliga gerne sähen.

Einige Tage vor der gestrigen Tagung zwischen dem Bundestrainer und 17 Kollegen aus der Bundesliga in Düsseldorf hatte Löw seine Kritik am deutschen Fußball in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" absichtsvoll platziert.

Dort referierte er von der Spielqualität, die von einfachen Dingen bestimmt werde: "Spiel ohne Ball, anbieten bei hohem Tempo, sauberes Pass-Spiel, Kombinationssicherheit", hatte Löw gesagt. Nicht etwa Geld bürge zwingend für Qualität ("Das ist ein Totschlagargument"), vielmehr müsse man sich Qualität erarbeiten. Zentrales Thema des Bundestrainers: das Spieltempo.

"Die Anzahl der Sprints lässt zu wünschen übrig, da müssen wir an Intensität zulegen." Und: "Es ist keine optische Täuschung, dass in England schneller gespielt wird."

Die wie naturgegeben erwiderten Abwehrreflexe aus der Bundesliga waren gestern kein Thema mehr. Der offizielle Termin und der Eindruck der fast vollständig vertretenen Kollegenschaft (Schalkes Co-Trainer Mike Büskens vertrat seinen Chef Fred Rutten, nur Berlins Trainer Lucien Favre fehlte) ließen aus wortgewandten Gegnern Diplomaten werden.

Und klar wurde auch: Löw findet Trainer wie Jürgen Klinsmann oder Bruno Labbadia, die auf seiner Linie liegen, andere - wie etwa Friedhelm Funkel - prägt der realistische Blick auf das Alltagsgeschäft Bundesliga-Existenzkampf. "Natürlich ist das eine Idealvorstellung", sagte Funkel nach der Tagung, aber sie sei nicht auf jedes Team der Liga anwendbar. "Ich glaube nicht, dass zum Beispiel Cottbus die Spieler dafür hat."

Klinsmann, Klopp und Kollegen hörten Referate von Andy Roxburgh (Der technischer Direktor der Uefa sprach über "Führungsarbeit in Topteams") und dem deutschen Internisten Tim Meyer (Vortrag: "Die Entwicklung der körperlichen Fitness im Spitzenfußball - verantwortlich für die Spielgeschwindigkeit").

Tenor aus dem Plenum: Interessante Anregungen. Fand zum Beispiel Leverkusens Trainer Labbadia: "Ich sehe Kritik immer als Feedback. Es ist kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander, bei dem jeder am Ende dennoch seinen Weg geht."

Er habe nicht das Gefühl, dass es bei der Nationalmannschaft Besserwisser gebe: "Trotzdem muss jeder seine Philosophie kennen und seine Prioritäten setzen." Labbadia war aus DFB-Sicht ein willkommener Musterschüler.

Auch Thomas Schaaf zeigte sich geläutert. "Fragen Sie die, die in der Nationalmannschaft etwas zu sagen haben. Die äußern sich ja auch zu Dingen, die die Bundesliga betreffen", hatte Schaaf noch am Samstag gereizt auf die Frage geantwortet, ob der anstehende Fitness-Test für Spieler wie Per Mertesacker aufgrund englischer Wochen nicht umzumutbar sei.

Am Montag hörte sich das anders an. "Das habe ich direkt nach dem Spiel gesagt", beschwichtigte Schaaf mit leichter Rötung im Gesicht, lobte die Vorträge als interessant und fand es gut, "dass wir mehr über Fußball gesprochen als Termine abgestimmt haben".

Ob es denn nicht auch mal richtig geraucht habe, wollte einer noch wissen. "Mit Blöcken oder Flaschen geworfen hat niemand", sagte DFB-Mediendirektor Bernd Stenger. Alles ausgeruht in Düsseldorf. Bis zur nächsten Sturheit des Bundestrainers.

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