Fußball: Erfolg schafft Integration

Der Migrationsforscher Heinz Reinders vor dem Spiel gegen die Türkei über den Fußball als Integrationsmittel.

Düsseldorf. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist eine Multi-Kulti-Elf. Vor dem EM-Qualifikationsspiel am Freitag gegen die Türkei sprachen wir mit dem Migrationsforscher Professor Heinz Reinders über Vorbilder und Sport als Integrationsmittel.

Heinz Reinders: Es gibt da ja keine Herkunftsquote. Es ist eher eine Nebenwirkung, dass derzeit die Zusammensetzung des Nationalteams das Herkunftsgefüge in diesem Land widerspiegelt, in dem 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben.

Reinders: Wir haben 2008 Kinder danach gefragt, wer die beliebtesten Fußballer sind. Das Ergebnis war deutungsgleich mit der medialen Präsenz: Michael Ballack, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski. Diese Trikots wollen sie anziehen. Kaum einer will Arne Friedrich sein. Heute sind Mesut Özil oder Sami Khedira angesagt. Das zeigt: Herkunft spielt keine Rolle.

Reinders: Wenn ich eine Frau zu einer Frauenbeauftragten mache, dann schafft allein das schon Differenz. Wenn der DFB jetzt einen Spieler mit Migrationshintergrund als Integrationsbeauftragten benennt, ist mir das zu viel der Symbolik. Wichtiger finde ich es, Trainer mit Migrationshintergrund für die Jugendförderung zu gewinnen.

Reinders: In Deutschland leben 2,7 Millionen Türken. Was bei der Einwanderung der 50er und 60er Jahre nicht bedacht wurde: Die Menschen haben ihre Kultur mitgebracht. Viele Türken sind Hybriden: Samstags ist ihr Bezugsrahmen Schalke, Hertha oder BVB, aber wenn ihr Nationalteam spielt, schlägt das Herz heiß für die Türkei.

Reinders: Das wird ein Hexenkessel mit vielen Emotionen. Bei Kindern werden Bilder und Gesten haften bleiben: Wem gibt Nuri Sahin hinterher die Hand? Mit wem tauscht er das Trikot? Das zwischenmenschliche Verhalten ist nachhaltiger als das Aufsagen der Fifa-verordneten Vierzeiler der Spielführer.

Reinders: Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ruhe Sami Khedira und Mesut Özil der Wechsel zu Real Madrid auf dem internationalen Marktplatz geglückt ist. Ein Günter Netzer in den 70er Jahren hat das viel mehr inszeniert.

Reinders: Wissen Sie, ich komme aus dem deutsch-holländischen Grenzland. Da gehörte es zur ganz normalen Rivalität, dass man sich nach einem Länderspiel am Grenzflüsschen getroffen und eine zünftige Prügelei angezettelt hat. Im Fall des FC Bayern ist es einfach: Erfolg macht sexy. Louis van Gaal hat schnell begriffen, welchen Ton er in München anschlagen muss. Der Spruch vom Feierbiest ist sicher nicht aus einer Laune heraus entstanden, sondern war eine gezielte Imagekorrektur, nachdem man ihn vorher skeptisch als zu autoritär beäugt hatte. Bei Erfolg tritt die Herkunft in den Hintergrund oder ist gar ein Qualitätsmerkmal.

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