Fußball: Das Leben des ungeliebten Kevin-Prince Boateng

Der Deutsch-Ghanaer hat Ballacks WM-Teilnahme auf dem Gewissen. Gestern entschuldigte er sich.

Düsseldorf. Es musste eine Entscheidung her. Hier am Tegernsee. 2009 steht Deutschlands U21-Nationalmannschaft vor der EM in Schweden. Trainer Horst Hrubesch formiert eine Einheit, eine mit guten, aber braven Charakteren. Kevin-Prince Boateng gehört nicht dazu.

An diesem Tag am Tegernsee spricht die Mannschaft - und lehnt ihn ab. Zu unzuverlässig, heißt es. Deutschlands U21 wird später Europameister mit Kevins Halbbruder Jerome Boateng. Und Kevin-Prince entscheidet sich, fortan für die Heimat seines Vaters zu spielen: Ghana, Deutschlands Gruppengegner bei der anstehenden WM in Südafrika. Boateng wird dort spielen, Michael Ballack nicht mehr. Ballack ist Boatengs Opfer. Nicht das erste, aber das prominenteste.

"Es tut mir leid. Es war keine Absicht", sagte Boateng gestern Abend. "Ich komme einfach zu spät und treffe ihn voll. Es sah dumm aus." Er meint sein Foul an Ballack. Er weiß, dass er eine Nation in Schockzustand versetzt hat.

Kevin-Prince Boateng nennt 13 Tätowierungen sein eigen. Am rechten Oberarm prangt ein Totenkopf mit vier Assen. Darunter steht "The world is yours". Die Welt, sie gehört dir. Ist das egoistisch? Ist das jemand, der nicht über die Folgen seiner Taten nachdenkt? Der absichtlich foult? Oder ist das alles zu einfach?

Die Klischees des Ghetto-Kindes aus Berlin-Wedding, dem Hinterhof der Hauptstadt, vereinigen sich in ihm. Der Musik von Bushido hört, weite Hosen und klobige Schuhe trägt. Der "Spiegel" zitiert Jeromes Mutter Martina, die ihren Sohn in Berlin-Wilmersdorf großgezogen hat: "Ich mag Prince-Kevin, aber er kann sich nicht unterordnen, hat eine große Klappe und hält sich nicht an Regeln."

Trainer von Kevin-Prince zu sein bedeutet auch, immer auf den nächsten Ausraster zu warten. Jürgen Klopp trainierte ihn in Dortmund. Klopp ist ein Fußball-Sozialarbeiter.

Er entwirft ein differenzierteres Bild: "Kevin ist ein Riesentyp", sagte Klopp in der "Süddeutschen Zeitung", als Boateng schon zum FC Portsmouth gewechselt war, weil Dortmund ihn nicht bezahlen konnte. "Der fährt zwar mit einem zu dicken Auto herum, aber er weiß auch, wo er finanziell herkommt, und er wird sehr aufpassen, dass er dahin nicht zurück muss."

7,9 Millionen Euro zahlte Tottenham Hotspurs an Hertha BSC, dann Dortmund, Portsmouth, jetzt der Abstieg. Aber die Interessenten in England stehen schon wieder Schlange.

Boateng ist zahlreich seinem Rüpel-Image gerecht geworden, hat noch 2009 nach einer Party angeblich Autospiegel abgetreten. Aber er spielt auch noch ziemlich gut Fußball. Was auch immer über ihn gesagt wird, der Tenor ist derselbe: Kevin-Prince Boateng, der über seine Mutter mit dem deutschen Fußball-Helden Helmut Haller verwandt ist, sucht seinen Weg, er müht sich. Aber die Ausnahme bahnt sich ihre Wege.

Gestern hat Joachim Löw für Jerome Boateng geworben. "Ich habe ihm gesagt, dass wir absolut vorbehaltlos zu ihm stehen. Er ist zwar Familienmitglied, aber er ist völlig unbeteiligt", sagte Löw, als stünde eine Sippenhaft zur Diskussion. Und doch bleibt der Name Boateng Teil der deutschen Fußball-Geschichte. So und so.

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