Fußball: Das bewegt die Schiedsrichter

Die Bundesliga-Referees Thorsten Kinhöfer und Florian Meyer gewähren Einblicke in die Geheimnisse ihrer Arbeit.

Dortmund. Am vergangenen Wochenende haben sich die deutschen Fußball-Spitzenschiedsrichter selbst hinterfragt. Anhand von 40 umstrittenen Spielszenen aus der Bundesliga haben sie vor dem heute beginnenden Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga Regelauslegungen abgestimmt, neue Entwicklungen im Spielerverhalten diskutiert und bei Bundesliga-Managern für besseres Verständnis geworben. Die Fifa-Schiedsrichter Florian Meyer und Thorsten Kinhöfer verrieten uns, was ihre Gilde bewegt - und haben dabei Erstaunliches zu Tage gefördert. Oder wussten Sie schon, dass...

...Spieler von fast allen Schiedsrichtern konsequent gesiezt werden? "Das kann ich nur jedem empfehlen", sagt Meyer, auch wenn er sich selbst mit manchen Spielern privat duze. "Auf dem Platz aber will ich allen das Gefühl geben, auch wirklich gleich behandelt zu werden." Ein "Sie" fördere die notwendige Distanz.

...den Schiedsrichtern ein volles Stadion keinen Respekt einflößt? "Schlimmer ist es in der Kreisliga", sagt Kinhöfer, "dort hört man jeden einzelnen Zuruf." Von der hitzigen Atmosphäre im Stadion bekomme man nicht wirklich etwas mit. "Das Publikum ist für uns eine Einheitsmasse, die uns in diesem Moment überhaupt nicht interessiert. Die ganze Konzentration liegt allein auf dem Spielgeschehen", sagt Meyer.

...viele die Kopfhörer, die sie mit ihren Assistenten verbinden, nicht gerne nutzen? "Die Technik ist anfällig", sagt Meyer. Es könne schon mal passieren, dass man die Ansage des Assistenten nicht richtig verstehe. "Wenn ich da nicht hundertprozentig sicher sein kann, dann benutze ich das auch nicht."

...Schiedsrichter bisweilen bewusst Spiele "zerpfeifen"? Wenn die Hektik in einem Spiel Überhand nimmt, beginnt Kinhöfer "das Spiel kurz und klein zu flöten", wie er es ausdrückt. Nervende und kleinteilige Unterbrechungen würden helfen, die Emotionen nieder zu kochen. Wenn sich das dann gelegt hat, sagt Kinhöfer, könne man wieder einen anderen Stil verfolgen.

...es beim strafbaren Handspiel wirklich allein um die Absicht des Handspielenden geht? Laut Meyer hat der Schiedsrichter einzig und allein zu entscheiden, ob das Handspiel absichtlich oder unabsichtlich geschehen sei. Absicht könne man aber auch unterstellen, wenn ein Spieler seine Arme unnatürlich ausbreite oder in die Höhe strecke - und dann angeschossen werde. "Wir erkennen die Tendenz, dass Abwehrspieler versuchen, sich körperlich immer breiter aufzustellen", sagt Meyer. Deshalb kämen auch oft Handspiele zustande, die zunächst unabsichtlich aussehen, aber doch geahndet werden müssen.

...sich die (Länge der) mögliche(n) Sperre nach einer Notbremse im Strafraum danach richtet, ob der anschließende Elfmeter verwandelt wird? So sah zum Beispiel Hannovers Torwart Florian Fromlowitz nach einer Notbremse gegen Wolfsburg die Rote Karte, den anschließenden Elfmeter parierte aber sein Kollege Jan Rosenthal. "Achten sie mal darauf", sagt Kinhöfer, "Fromlowitz hat deshalb zwei Spiele Sperre bekommen." Weil Wolfsburg den Nachteil nicht hat ausgleichen können. Wäre der Elfmeter verwandelt worden, wäre Fromlowitz mit einem Spiel Sperre davon gekommen.

...dass Schiedsrichter 50 Prozent ihrer Entscheidungen nach eigenem Ermessen entscheiden? "Es gibt nicht immer schwarz oder weiß, es gibt auch ganz viel grau", sagt Kinhöfer und meint die Entscheidungen, die ihm die Regel nicht eindeutig abnimmt. Das sei geschätzt bei der Hälfte der Entscheidungen der Fall.

...dass die Schiedsrichter den Respekt der Spieler untereinander nicht besonders hoch achten? "Der Respekt hat abgenommen", sagt Meyer. "Besonders in den letzten zwei Jahren. Was dort teilweise unter Berufskollegen abläuft, ist schwer zu begreifen." Auffällig werde dies besonders bei den zuletzt vermehrt auftretenden Attacken ins Gesicht der Gegner.

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