Fußball/Bundesliga: Felix in Schale, Buddhas im Pech

Warum Fußball auch Kopfsache ist, von kuriosen Toren, Rettern im Rentenalter und einer Papierkugel.

Düsseldorf. A wie Angriff. Die abgelaufene Saison war ein Triumph des präzisen (Misimovic), überfallartigen (Dzeko) und wuchtigen (Grafite) Offensivfußballs Marke VfLWolfsburg. Von den 80Saisontreffern des Meisters erzielte das brasilianisch-bosnische Sturmduo Grafite/Dzeko sage und schreibe 54. Nebenbei: Dass Gerd Müller alleine 40 Mal traf, ist schon eine Weile her (1971/72).

B wie Buddha: Religionsstifter, der das erzkatholische Bayern noch mehr irritierte als Jürgen Klinsmann selbst. "Herr Klinsmann sollte seine religiösen Gefühle nicht den Spielern aufzwingen", schimpfte CSU-Rechtsexperte Norbert Geis, als der neue Bayern-Trainer im neuen Leistungszentrum des Rekordmeisters zu Saisonbeginn vier weiße Buddha-Statuen aufstellen ließ. Wegen des Energieflusses, wie Klinsmann erklärte. Nach zwei Monaten hatte Buddha beim FCBayern ausgedient, die Statuen wurden entfernt, der Energiefluss schleppte sich träge dahin.

C wie Chaos-Theorie. Ist jetzt bestätigt: Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann in Texas einen Tornado auslösen. Und ein Fan, der in Hamburg leichtfertig eine Papierkugel auf das Spielfeld wirft, kann das Scheitern des HSV im Uefa-Pokal-Halbfinale bewirken.

D wie Doping. Gibt es bekanntlich nicht im Fußball. Sagt ja schon Sepp Blatter. Doch nachdem die Hoffenheimer Spieler Ibertsberger und Janker in Mönchengladbach zehn Minuten zu spät zur Dopingprobe kamen, führte der DFB das sogenannte Chaperon-System ein, bei dem neutrale Organisationen die Kontrollen durchführen. Irre: Der DFB wird im Anti-Doping-Kampf erwachsen!

E wie Eintagsfliege. Michael Frontzeck nach einem 0:6 in Dortmund entlassen, Jörg Berger nur zur Rettung am letzten Spieltag eingeflogen. Für diese Panik-Attacke hat Arminia Bielefeld mit dem Abstieg die gerechte Quittung erhalten.

F wie Favre, Lucien. Mit dem Schweizer Trainer schlich Hertha BSC wenig spektakulär, aber effektiv zwischenzeitlich bis an die Tabellenspitze. Nun sieht die Metropole Berlin wieder internationalen Fußball. Gehört sich auch so, aber bitte etwas ansehnlicher, wenn’s geht.

G wie Gomez, Mario. Tausendsassa im VfB-Trikot, Nullnummer als Nationalspieler. Einmal Phrasendreschen muss erlaubt sein: Fußball ist Kopfsache!

H wie Hoffenheim. Wunderschöner Herbst, trauriges Frühjahr. Noch nie ist ein Halbzeit-Meister derart abgestürzt, aber was der Liga-Neuling bis dahin gespielt hat, war berauschend. Nicht auszudenken, wenn Vedad Ibisevic nach 18 Toren allein in der Hinserie keinen Kreuzbandriss erlitten, sondern weiter Furcht und Schrecken verbreitet hätte.

I wie Interviews. Böse Zungen behaupten, Hans Meyer sei nur deshalb noch Fußball-Trainer, weil er den selbstinszenierten Schlagabtausch mit den Journalisten vermissen würde. Aber vielleicht ist dies nur der vergnügliche Ausgleich dafür, ein Team wie Borussia Mönchengladbach zu trainieren. Gladbach hat trotz der unfassbar mageren Bilanz von 31 Punkten die Klasse gehalten. Auf Hans Meyers Konto gehen 27 Punkte in 26 Spielen.

K wie Klinsmann, Jürgen. Das Super-GAM ("größte anzunehmende Missverständnis") der Saison. Der strahlende WM-Held von 2006 war im Alltagsgeschäft doch nur ein Trainer-Novize, dessen Erneuerungs-Pose mit den nackten Zahlen kollidierte. Die deftigsten Klatschen: 0:5 nach 67 Minuten gegen Werder Bremen (Endstand 2:5), 1:5 in Wolfsburg, 0:4 beim FC Barcelona. Soviel Mutter Teresa kann gar nicht in Uli Hoeneß stecken, dass der das eine Saison lang aushält. Aber verpflichtet hat er ihn selbst.

L wie Langkamp, Sebastian. Der Karlsruher Profi ist der Schütze des lustigsten Treffers der Saison. Grätschte im Mittelkreis, traf irgendwie den Ball, der flog und flog und plumpste hinter Leverkusens Torhüter Rene Adler ins Tor. Das 0:1 gegen den KSC war der Höhepunkt der traurigen Bayer-Gastspiele in der Düsseldorfer Arena.

M wie Magath, Felix. Zweimal mit Bayern Meister werden, ist eine sehr gute Bilanz. Aber nach dem Rauswurf in München aus einem finanziell starken, aber abstiegsbedrohten Provinzclub den neuen Champion zu formen, das beweist Extraklasse.

N wie Nordderby. Die Bremen-Hamburg-Festspiele endeten 3:0 für Werder: Der HSV schied innerhalb von 19 Tagen sowohl im DFB-Pokal als auch im Uefa-Pokal aus und verspielte alle Chancen auf den Meistertitel. Das Glück kehrte erst in der Nachspielzeit des letzten Spieltags zurück: Als Piotr Trochowski mit dem 3:2 in Frankfurt wenigstens die Teilnahme an der Europa League sicherte. Per Abseitstor.

O wie Obama, Barack. Der neue US-Präsident, der arme Kerl, muss ja für alles herhalten. Sogar - laut Günther Jauch - als Synonym für den Erneuerer des deutschen Fußballs. Obama darf aber gerne länger im Amt bleiben als Jürgen Klinsmann.

P wie Podolski, Lukas: Geht "Prinz Poldi" zum FC zurück, oder nicht? War das ein Theater! Damit die Heimkehr von Lukas Podolski nach drei Jahren bei den Bayern endlich klappen konnte, sammelten die Fans in Köln sogar Geld. "Keine Angst, ich komme noch mal in die Champions League", sagte Podolski zum Abschied in München. Das werden die Kölner nicht gerne hören, ihr Club kann ja nicht gemeint sein.

R wie Retter im Rentenalter: Der Heynckes, Jupp, fügte seiner wechselvollen Karriere einen ruhmreichen Kurzeinsatz in München zu und "rettete" dem FC Bayern den Champions-League-Platz. Der Applaus sei ihm gegönnt, 57 der 67 Punkte holte Bayern dennoch in der Klinsmann-Zeit.

S wie Schrecksekunde. Am 29. August 2008 brach der Kölner Kapitän Ümit Özat aufgrund einer Herzmuskelentzündung während des Spiels in Karlsruhe zusammen und musste wiederbelebt werden. Ein ganzes Stadion und die Zuschauer am Fernsehen mussten mit ansehen, wie um das Leben eines Fußballprofis gerungen wird. Özat überlebte zum Glück. Dass Sport das Risiko des plötzlichen Herztods eher vermindert, ändert nichts am Schock jedes Einzelfalls.

T wie Traumtor. Wolfsburgs Glanzstück war zugleich der demütigendste Saison-Moment für den FCBayern: Grafite tanzte am 4. April 2009, um 17.02 Uhr, Ottl, Lell, Rensing und Breno aus und platzierte den Ball mit einem unverschämt lässigen Hacken-Stubser zum 5:1 neben den Pfosten. Die verbliebene Bayern-Abwehr warf sich ebenso grotesk wie vergeblich in alle anderen Schussbahnen.

U wie Uefa-Pokal. Hatte seinen letzten Auftritt. Letzter Sieger: Schachtjor Donezk. Der unübersichtliche Wettbewerb wird durch die schicke Europa League ersetzt, deren Modus zwar noch komplizierter ist, aber die man besser vermarkten kann.

V wie VW. Autokrise? Gibt’s in der Bundesliga nicht. Die Stadt Wolfsburg war am 1. Juli 1938 gegründet worden, mit dem etwas umständlichen Namen "Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben". Wolfsburg, eine zweckgebundene Erfindung der Nazis - das klingt nicht so schön. Doch aus dem "Kraft durch Freude"-Wagen wurde der sympathische Volkswagen Käfer, aus der grauen Maus Wolfsburg die Stadt des Meisters im Volkssport Nr. 1. So ändern sich die Zeiten.

W wie Wahnsinn. Dafür ist in der Liga Schalke 04 zuständig. Dem sportlichen Niedergang und dem Rauswurf von Trainer Fred Rutten und Manager Andreas Müller folgte eine kuriose Inszenierung bei der Suche nach Nachfolgern. Sogar mit Oliver Kahn, der früher immer seinen Bananen-Vorrat bei Auswärtsspielen in Gelsenkirchen aufgefüllt hatte, wurde ein öffentliches Geheimtreffen arrangiert. Es kann nur aufwärts gehen, mit Felix Magath sowieso.

Z wie Zitat des Jahres. "Die Würfel sind zu 99,9Prozent gefallen", sagte auf die Chancen der Bayern zur Titelverteidigung angesprochen, kürzlich Karl-Heinz Rummenigge vom FCBayern München, dem nach dieser unterhaltsamen Saison einfach das letzte Wort gebührt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort