Fußball: Beruf Versteckspieler

Homosexualität gilt im Profi-Fußball noch immer als Tabu. Zu groß ist die Furcht vor unangenehmen Folgen. „Schwul“ ist unter Kickern und Fans ein Schimpfwort.

Düsseldorf. So oft wie in den vergangenen beiden Wochen ist das schlichte Wort "Tabu" lange nicht mehr gefallen, im Fußball ohnehin nicht: Vom Tabu Depressionen war die Rede, vom Tabu Selbstmord, zuletzt vom Tabu Homosexualität. "Wir müssen klare Zeichen setzen. Wir können dabei helfen, ein gesellschaftliches Klima zu verändern", hat DFB-Präsident Theo Zwanziger gesagt, nachdem der an Depressionen leidende Torhüter Robert Enke seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Und: "Die Fans müssen das Kartell der Tabuisierer und Schweiger durchbrechen." Die, die sich mit ihren Emotionen als Abgedrängte fühlen, sollen Halt finden können, nicht allein bleiben. Und sie sollen es dürfen.

Ob das auch für schwule Fußballer gilt? Corny Littmann, Präsident des FC St. Pauli und bekennender Homosexueller, ist skeptisch, dass sich in naher Zukunft ein Spieler outet: "Wenn es plötzlich einer tut, wird ihm ewig anhängen, der erste schwule Fußballer der Bundesliga gewesen zu sein. Ob ein junger Mensch mit diesem Prädikat wohl rumlaufen möchte?" Das Risiko sei hoch, ihnen könnten Nachteile entstehen. Nicht umsonst hat sich noch nicht ein einziger Bundesliga-Profi als homosexuell geoutet.

Vor zwei Jahren hat das Fußballmagazin "Rund" die These aufgestellt, dass einer von elf Bundesliga-Spielern schwul sei. Einige von ihnen kamen in der Reportage zu Wort. Drei aus den ersten beiden deutschen Ligen, so schreiben die Autoren, seien ihnen bekannt. Doch genannt wurden sie nicht, das wollten die Spieler nicht. "Ein Outing wäre mein Tod", hat einer gesagt.

Stattdessen werden Fassaden hochgezogen, vom glücklich Liierten, vom umsorgenden Familienvater - und wenn dafür Ehefrauen engagiert werden müssen. Der Leidensdruck nimmt dadurch nur zu. Die Fußballer fürchten, "sie könnten von ihren Fans ausgelacht und von denen des Gegners geschmäht werden.

Zudem könnte ihr Marktwert sinken, weil Arbeitgeber gar keine schwulen Fußballer einstellen wollen oder sie für weniger belastbar als heterosexuelle Profis halten", sagte die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling dem "Tagesspiegel". Noch immer sei eine Homophobie im Fußball gegenwärtig.

Beispiele gibt es einige: Als der Brasilianer Vampeta (PSV Eindhoven, Inter Mailand) 2006 seine Homosexualität offenbarte, erlitt seine Karriere einen Knick. Der niederländische Schiedsrichter John Blankenstein durfte 1990 nicht zur WM, weil es hieß, er sei in Fifa-Uniform in einer Schwulenbar gesehen worden.

Vor einem Jahr etwa sagte Christoph Daum, damals noch Trainer des 1. FC Köln, in einer DSF-Doku, er und seine Kollegen seien dazu aufgefordert, gegen "gleichgeschlechtliche Bestrebungen" vorzugehen. Daum revidierte seine Worte später, besuchte einen Schwulen-Fanclub des FC. Doch das Gesagte hallte nach. Der ehemalige österreichische Nationaltrainer Otto Baric verstieg sich gar zu der Aussage: "Ich erkenne einen Schwulen innerhalb von zehn Minuten, und ich möchte sie nicht in meinem Team haben."

Im Buch "Versteckspieler" hat der Autor Ronny Blaschke das Leben des schwulen Fußballers Marcus Urban aufgeschrieben. Er galt im DDR-Fußball als großes Talent. Doch Anfang der 90er mit Anfang 20 hörte er auf - weil er sich verletzte und "weil dieser Druck, das Schwulsein zu verbergen, aber gleichzeitig stets Top-Leistung zu bringen, irgendwann zu groß wurde.

Er hat mich Tag und Nacht verfolgt und letztlich meine Karriere gekostet". "Schwul" ist im Fußball immer noch ein Schimpfwort - auf dem Platz und daneben.

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