Freistoß anpfeifen oder nicht? Der Streit der Schiedsrichter

Referee Kinhöfer sorgt für Ärger: Muss ein Freistoß freigegeben werden, wenn man die Pfeife in die Höhe hält?

Hannover. Jan Schlaudraff galt stets als schlampiges Genie. Wenn der kleine Angreifer mit seinem Ferrari 430 Scuderia zum Training in Hannover vorfährt, konnte das nur wenig an diesem hart erarbeiteten Ruf ändern. Seit Samstag aber gilt Schlaudraff in Hannover auch als ausgesprochenes Schlitzohr. Beim 2:1-Auftaktsieg von Hannover 96 gegen 1899 Hoffenheim hat der 28-Jährige ein umstrittenes Freistoßtor erzielt, das nun als erster Streitfall der noch jungen Bundesliga-Saison gilt.

Was war passiert? Nach einem kurzen Plausch mit Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer aus Herne schlenzte der beste 96-Spieler den Ball über die verdutzten Gäste-Spieler ins Tor. Die nämlich sortierten just in dem Moment noch ihre Mauer, als der Ball schon in die Maschen segelte. Kinhöfer hatte seine Pfeife kurz hochgehalten, den Freistoß aber nicht eigens angepfiffen — wovon die Gäste-Spieler wohl ausgegangen waren.

„Die Regel sagt nicht, dass man beim Freistoß pfeifen muss. Wenn er den Ball blockiert und dem Spieler die Pfeife zeigt, dann muss er den Freistoß auch anpfeifen. Er hat den Freistoß zu schnell ausführen lassen. Es war eine Fehlentscheidung, ein Managementfehler, eine Unkonzentriertheit“, kritisierte Ex-Schiedsrichter Markus Merk als neuer Experte des TV-Senders Sky. „Das war alles regelkonform“, entgegnete Fifa-Referee Kinhöfer und kanzelte in den Stadion-Katakomben den zweimaligen Welt-Schiedsrichter Merk ziemlich barsch ab: „Man muss nicht alles glauben, was die sogenannten Experten sagen.“

Herbert Fandel, Vorsitzender der DFB-Schiedsrichter-Kommission, hielt sich zunächst bedeckt. „Ich muss mir das in aller Ruhe anschauen“, erklärte Fandel, der Kinhöfer einst so charakterisierte: „Er ist zwar nicht der Schnellste, hat aber ein unglaublich gutes Auge für die Situation.“ Selbstbewusst ist Kinhöfer zudem. „Bei Strafstoß, Auswechslungen und Gelben Karten muss das Spiel durch Pfiff fortgesetzt werden“, erklärte er seinen Standpunkt.

Die Hoffenheimer fühlten sich „verarscht“. „Wenn der Schiedsrichter den Ball freigibt, dann muss er das auch uns signalisieren. So sehe ich aus wie ein Trottel“, schimpfte Torwart Tom Starke. Kinhöfer empfindet diese Argumentation als unpassend: „Ich kann nicht wissen, was die Hoffenheimer Spieler denken.“

Torschütze Schlaudraff spielte in seinem 100. Bundesligaspiel seine ganze Routine aus. „Der Schiedsrichter hat mich gefragt, ob er die Mauer auf Abstand stellen soll. Ich habe Nein gesagt und erklärt, wir brauchen keine Mauer. Damit war das Spiel freigegeben. Dann habe ich meinem Mitspieler Rausch gesagt, er soll mir schnell den Ball hinlegen und habe geschossen. Kein Hoffenheimer hat sich vorgestellt“, schilderte der Ex-Nationalspieler die umstritten Szene. „Die haben da geschlafen. Bei Freistößen gegen uns habe ich die Aufgabe, mich vor den Ball zu stellen“, fügte er hinzu. Sein Trainer Mirko Slomka fand das „clever“.

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