Nachbeben mit Folgen Russland gibt sich nach McLaren-Report gelassen

Moskau (dpa) - Richard McLaren hat geliefert, Thomas Bach muss nun handeln. Nach dem zweiten Report des kanadischen Rechtsprofessors hat der russische Dopingskandal dramatische Ausmaße angenommen - weitere Nachbeben sind schon spürbar.

Nachbeben mit Folgen: Russland gibt sich nach McLaren-Report gelassen
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Dennoch kamen aus Moskau überwiegend Signale der Erleichterung und Entspannung. Nur der frühere russische Sportminister Witali Mutko reagierte erneut wie ein trotziges Kind: „Das IOC hat beschlossen, alle Proben zu überprüfen - sollen sie überprüfen!“, sagte der zum Vize-Premier aufgestiegene umstrittene Sportfunktionär.

Trotz der neuen Indizienlawine erwartet Mutko keinen Untergang - also keinesfalls den Ausschluss seines Landes von den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang. Veranstalter in Südkorea sei das IOC, das keine Fragen an das Nationale Olympische Komitee Russlands habe. „Meinem Eindruck nach hat das IOC seine Richtung gefunden, dass es in diesem Fall keine Kollektivstrafe geben soll“, sagte Mutko der staatlichen Agentur R-Sport.

Ein „Notausgang“ für das Internationale Olympische Komitee (IOC) könnte - wie vor den Sommerspielen in Rio - sein, dass das russische NOK nicht in das staatlich dirgierte Dopingsystem involviert war. Das gab selbst McLaren zu. „Wir haben keinen Beweis für die Verstrickung des Komitees. Wir haben Beweise dafür, dass Individuen beteiligt waren“, sagte der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) dem Deutschlandfunk. „Das steht im Bericht, aber das Komitee als Komitee ist nicht involviert. Nein!“

Zuversichtlich äußerte sich auch der russische NOK-Präsident Alexander Schukow. Man arbeite mit dem IOC und der WADA zusammen. „In Russland gibt es kein staatlich gestütztes Dopingsystem, und es hat keins gegeben.“ Punkt. Einzelne Fälle müssten sorgfältig geprüft werden, die Mittel dafür würden aufgestockt.

Zwei Berichte mit fast 200 Seiten hat der 71 Jahre alte McLaren inzwischen vorgelegt, mehr als 1000 russische Athleten aus über 30 Sportarten sollen in das staatliche Manipulations- und Betrugssystem involviert gewesen sein. Wie vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro ist nun das IOC mit seinem deutschen Präsidenten Bach unter Druck.

Der Jurist aus Tauberbischofsheim ist strikt gegen den Bann eines gesamten NOK. Bach setzt wie vor den Rio-Spielen auf Einzelfallprüfungen, er sagt aber klipp und klar: „Für mich als Olympia-Teilnehmer sollte jeder Athlet oder Offizielle, der sich aktiv an einem solchen Manipulationssystem beteiligt hat, lebenslang von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden - in welcher Funktion auch immer.“

Das IOC stand daher nach der McLaren-Pressekonferenz in London im Visier der internationalen Presse. Die olympische Regierung zeichne sich vor allem „durch ihre Unschlüssigkeit und die Verschleppung der Sache aus“, urteilte der britische „The Guardian“. Das IOC-Statement enthalte „keine Verurteilung, keine Reue, keine Entschuldigung, lediglich 300 Worte leeren Geschwafels“. Der „Daily Telegraph“ befand: „Solange der Fünf-Ringe-Zirkus keine ernsthaften Maßnahmen gegen das Doping unternimmt, sollten sich die Metropolen der Welt der "größten Show der Welt" verweigern.“

McLaren hatte in seinem am 9. Dezember vorgestellten Bericht von einer „institutionellen Verschwörung“ im russischen Sport gesprochen. Dass 1000 noch geheime Namen schließlich auch 1000 Dopingfälle sind, ist sehr unwahrscheinlich - jeder einzelne muss nun geprüft werden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat deshalb bereits angekündigt, die Erkenntnisse aus dem Report und die entschlüsselten Namencodes an das IOC, die betreffenden internationalen Fachverbände und an das Internationale Paralympische Komitee (IPC) weiterzugeben.

In seiner Reaktion auf Teil 2 des Reports erklärte das IOC, alle 254 Urinproben russischer Athleten von den Winterspielen 2014 in Sotschi erneut zu analysiert. Zudem wurde das Mandat der IOC-Disziplinarkommission, die nun die Einzelfallprüfungen vornehmen soll, erweitert. Somit können auch sämtliche Dopingproben russischer Athleten, die bei den Olympischen Spielen 2012 in London genommen wurden, von den IOC-Experten untersucht werden.

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