Eishockey Machtkampf unter Eissportlern

Die Eishockey-Clubs haben einen neuen Verband gegründet und kehren dem alten den Rücken. Gehen wollen sie aber nicht ohne ihr Geld.

Eishockey: Machtkampf unter Eissportlern
Foto: Prümen

Düsseldorf. Es ist überaus bedauerlich, dass die Versammlungen des Landes-Eissport-Verbands NRW (LEV) nicht öffentlich sind. Denn wenn Präsident Wolfgang Sorge und sein Vize Friedrich Dieck einladen, ist immer etwas los. Mal wird unliebsamen Mitgliedern der Zutritt verwehrt — samt Anzeige wegen versuchten Hausfriedensbruchs bei der herbeigerufenen Polizei. Mal nimmt eine Abstimmung, die nicht nach Wunsch läuft, eine wundersame Wendung, weil plötzlich jemand dutzende Stimmen aus der Tasche zieht. Die dazugehörigen Vereine sind nicht anwesend, Sorge und Dieck haben sich vorher aber Vollmachten besorgt. Blanko-Schecks für das Präsidium.

Am Montag steht in Dortmund die Jahreshauptversammlung des Verbands an, in dem NRWs Eissportclubs organisiert sind — und dessen Präsidium sich einen zweifelhaften Ruf erworben hat. Gegen Vize Dieck ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft. Er soll vom Landessportbund (LSB) Gelder beantragt und dafür Belege von „frei erfundenen Seminaren“ eingereicht haben, berichten die „Ruhrnachrichten“. Über Sorge hat ein ehemaliger Vorstand des Deutschen Eishockey Bundes (DEB) schon vor 20 Jahren dem „Spiegel“ gesagt: „Gäbe es eine Tabelle der machthungrigsten, intrigantesten und opportunistischsten Funktionäre, Sorge stünde ganz weit oben.“ Glaubt man Leuten aus dem Eishockey, soll sich das bis heute nicht geändert haben.

Sorges Spielchen sind legendär, ebenso seine Klagen. Wer ihm nicht passt, bekommt Post vom Gericht. Vorstände, Vereine, Verbände. Andere werden gesperrt oder bekommen keine Eiszeiten mehr. Er selbst beschreibt sich gegenüber dieser Zeitung so: „Ich gehöre zu der Sorte, die anderen auf die Füße tritt, die meinen, Sonderrechte zu haben.“

Die Frage ist, wie lange das noch funktioniert, der LEV ist angeschlagen. Die meisten Eishockey-Clubs treten Ende des Jahres aus. Der Grund war der Streit mit den Drittligisten aus Duisburg, Essen und Herne, die für die neue und sportlich attraktivere Oberliga des DEB meldeten. Der Landesverband wollte sie in seiner Liga behalten, um mitzuverdienen. Also sperrte er die Clubs — samt deren Nachwuchs-Teams, die weiter im LEV spielen wollten.

Sorges entscheidender Fehler, wie ein hoher Funktionär sagt, der anonym bleiben will: „Früher konnte er machen, was er will, jeder Verein war mit sich beschäftigt. Dann hat er die Kinder mit reingezogen.“ Plötzlich waren alle Clubs solidarisch und gründeten im Oktober einen reinen Eishockey-Verband (EHV).

Zur Freude des DEB, der gerade viel zentralisiert und vereinheitlicht — auf Kosten der Landesverbände. Der aus NRW stemmte sich dagegen, klagte gegen die Aufnahme des neuen EHV in den Landessportbund. Erst nach einem Schlichtungstreffen zog er die Klage zurück.

Die Ideen gehen dem LEV aber nicht aus. Kürzlich hat er die EHV-Gründungsmitglieder wegen verbandsschädigenden Verhaltens verklagt. „Wenn sie Mitglieder haben, die einen Konkurrenzverband gründen, dessen Zweck mehr oder weniger identisch ist, ist das ein grob rechtswidriges Verhalten“, begründet Sorge das. Die Verklagten vermuten hingegen ein Manöver des Taktikers, der gewusst haben muss, dass niemand tausende Euro Strafe zahlt. Und wer Außenstände beim Verband hat, hat auf der Mitgliederversammlung kein Stimmrecht. „So steht es in der Satzung“, sagt Sorge. Dafür hätte er die Klagen aber nicht benötigt, die Betroffenen hätten ohnehin alte Schulden.

So könnten am Montag ausgerechnet die nicht abstimmen dürfen, die das Geld, das aus dem Eishockey in den LEV geflossen ist, im Eishockey halten wollen. Es geht um 300 000 Euro von der Heim-WM 2010 sowie eine Immobilie in Dortmund, die in der Bilanz immer der Eishockeysparte zugerechnet wurde. Das Geld sei zweckgebunden geflossen, argumentieren sie, und der LEV biete ja bald kein Eishockey mehr an. Also soll eine Stiftung für Nachwuchs-Eishockey in NRW gegründet werden, in die das Geld überführt wird. Das will Sorge verhindern. Die Zuordnung der Immobilie hätte „steuerliche Gründe, das Gebäude hat aber nichts mit Eishockey zu tun“. Und die 300 000 Euro? „Auch das Geld gehört nicht dem Eishockey“, sagt Sorge.

Auffällig ist, dass die Immobilie in der Bilanz für 2015, die dieser Zeitung vorliegt, plötzlich nicht mehr unter Eishockey gelistet ist. Im Gegensatz zu den Vorjahren macht die Sparte nun auch Verluste. Logisch, sagt die Opposition: Wo es nichts mehr gibt, kann nichts mitgenommen werden.

Umso mehr stellt sich die Frage, wie sich der Landesverband künftig finanzieren will. Die Eishockey-Clubs waren eine der Haupteinnahmequellen. Sorge sieht das anders: „Wir sind nicht von einer Sportart abhängig.“

Das glaubt nicht jeder. Ulrich Giesen, Vorsitzender des Neusser Schlittschuh-Clubs, hat den Finanzbericht des Verbands zerpflückt und im Vorfeld der Versammlung am Montag 16 bohrende Fragen gestellt. Zudem will er Sorge abwählen und schrieb deswegen an die anderen Vereine: „Bitte kommt alle am Montag nach Dortmund, wir brauchen jede Stimme! Macht Euch bitte selbst ein Bild und gebt vor allem nicht Pharisäern oder Pharisäerinnen eine Vollmacht.“ Das dürfte wohl Wunschdenken bleiben.

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